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Leid gehört zum Leben dazu – ob kleine Leiden des Alltags oder schwerwiegendes Leid, wie Krankheiten. Wie wir mit Leid umgehen und wie daraus auch Gnade erwachsen kann, damit beschäftigt sich Weihbischof Stefan Zekorn und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
„Ihr Lieben, ein Leid muss der Mensch immer tragen. Der Mensch sei, wo er sei.“ Diesen Satz schrieb ein Mystiker aus dem 14. Jahrhundert. Johannes Tauler kannte die Menschen und ihr Leben und so sprach er eine Realität aus, die alle oder zumindest die meisten fühlen: „Ein Leid muss der Mensch immer tragen.“ Es gibt wenige Tage, an denen wir so glücklich sind, dass uns nichts drückt und nichts bedrängt.
Da gibt es die kleineren Leiden des Alltags, etwa Schwierigkeiten der Ehepartner untereinander, Probleme bei der Erziehung der Kinder oder Stress und schlechtes Klima am Arbeitsplatz. Viele haben gelernt, diese Schwierigkeiten des Alltags zu überspielen, also nicht daran zu denken, etwas anderes zu machen und darüber locker hinwegzugehen. Aber durch ein solches Überspielen überspielen wir auch uns selbst. Deshalb wollen auch die kleinen Leiden unseres Lebens ernst genommen werden.
Auf die Schlangenplage folgt ein Heilszeichen
Das gilt erst recht für die großen Leiden: eine schwere Krankheit, das Sterben eines lieben Menschen, die Angst um die Existenz bei Problemen im Beruf und mit dem Arbeitsplatz. Immer wieder stellt sich die Frage: Wie können wir mit Leiden umgehen? Dafür gibt es kein Patentrezept und keine allseits gültige Regel, die man so aus dem Handgelenk anwenden könnte.
Jesus weist uns im heutigen Evangelium einen Weg. Dabei verwendet er ein Bild, das für uns zunächst fremd ist und manche schauern lassen kann. Jesus spielt nämlich am Beginn des heutigen Evangeliums auf eine Erzählung im Buch Numeri an (21, 6-9): Die Israeliten sind auf dem Weg von Ägypten in das verheißene Land. Dabei bedrängt sie in der Wüste eine Schlangenplage. Viele werden von Schlangen gebissen und sterben daran. Da betet Mose zu Gott und bittet ihn, das Volk von der Schlangenplage zu befreien. Daraufhin fordert Gott Mose auf, eine Schlange aus Kupfer machen zu lassen und sie an einem Pfahl aufzuhängen. Gott verheißt: Jeder, der von einer Schlange gebissen wird und diese kupferne Schlange an dem Pfahl anschaut, wird am Leben bleiben. So geschieht es und die kupferne Schlange am Pfahl wird zum Heilszeichen der Nähe und des rettenden Eingreifens Gottes.
Jesus selbst muss leiden
Die Lesungen vom 4. Fastensonntag / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.
Das wendet Jesus auf seinen Kreuzestod an, wenn er im Evangelium sagt: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.“ So wie die Menschen durch das Anschauen der Schlange in der Wüste vom Tod gerettet wurden, so können die, die an Jesus glauben, durch sein Kreuz Leben und Heil auch in Leid und Tod erfahren.
Das bedeutet meist nicht, dass das Leiden genommen wird. Das war schon beim Volk Israel oft nicht so. Die erste Lesung etwa beschreibt, wie Israel eine katastrophale Niederlage erleidet und in die Verbannung geführt wird. Jesus selbst ist nicht vor dem Leiden und Sterben am Kreuz errettet worden. Auch uns wird Leid nicht einfach genommen. Doch wenn ich es im Glauben, also im Vertrauen auf Gott, annehme, kann die Erfahrung möglich werden, dass sich das Leid wandelt – ähnlich wie es die Israeliten unter König Kyrus (1. Lesung) und Jesus bei seiner Auferstehung erfahren haben.
Aus Leiderfahrung kann Gnade erwachsen