Ferdinand Hempelmann: Was macht mich wirklich frei?

Auslegung der Lesungen vom 3. Fastensonntag / Lesejahr B

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Wie steht es mit der Freiheit im Glauben? Wie frei bin ich wirklich? Jesus Christus selbst geht massiv gegen die Gewohnheiten im Tempel in Jerusalem vor. Grundsätzlich sollte es zunächst um die Liebe Gottes gehen, erklärt Ferdinand Hempelmann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Zweimal wird im Buch Exodus betont: Du sollst vor Gott „nicht mit leeren Händen erscheinen“ (Ex 23,15; 34,20). Ein auswärtiger Jerusalempilger zur Zeit Jesu vermochte kaum dieses Gebot zu erfüllen, denn er konnte ja kein Opfertier mitnehmen. Auch musste er die Tempelsteuer in einer bestimmten Währung bezahlen, die erst beim Tempel eingetauscht werden konnte. Darum gab es Geldwechsler und Tierhändler.

Auf den ersten Blick verstört, dass Jesus so heftig gegen sie vorgeht. Immerhin nehmen Menschen ihren Glauben doch ernst! Oder ist es eher ein Glaube, der anerzogen wurde und der geprägt war von dem Gefühl, nichts falsch machen zu dürfen? Ein Glaube, bei dem nichts anderes geblieben ist als Tradition, gelenkt von institutioneller Kontrolle? Kennen das nicht auch Menschen unserer Zeit?

Wie frei bin ich wirklich?

Die Lesungen vom 3. Fastensonntag / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

„Ich bin frei“ lautete ein Lied zur Ministrantenwallfahrt nach Rom 2014: „Ich bin frei, dir, Gott zu singen, dir zu dienen … Ich bin frei, meinen Nächsten zu sehen, loszugehen, Gutes zu tun, ich bin frei.“ Seitdem begleiten mich diese Worte, allerdings versehen mit einem Fragezeichen: „Ich bin frei?“

Wie frei bin ich wirklich, wenn ich eingespannt bin zwischen Erwartung und eigenen Vorstellungen, zwischen institutionellem Anspruch und der Wirklichkeit meines Fühlens und Denkens? Wie kann ich mir selbst trauen, wenn mir vorgegeben wird, was zu tun und zu lassen ist? Was darf mich binden und was nicht?

Es geht um die Liebe

Es wäre vorschnell, die Zehn Gebote als zu moralisch abzuwerten, sie zum alten Eisen zu packen und stattdessen das Gegenteil als den Weg in die Freiheit anzusehen. Zu groß wäre die Gefahr, den Blick nur auf eigene Bedürfnisse zu reduzieren und die Folgen meines Handelns für andere zu übergehen. Nur an das eigene Glück zu denken, führt letztlich in eine neue Abhängigkeit, zu einer Art Götzendienst an mir selbst. Macht das wirklich frei?

Bei der Einhaltung der Zehn Gebote geht es nicht allein um die Vermeidung von Sünden. Es geht um Liebe, wie es im wichtigen Vorsatz deutlich wird: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus“ (Ex 20,2). Das Festhalten an dieser Erfahrung führt zu einer Bindung, die von mir ausgeht. So wachse ich tiefer hinein in eine Beziehung, die mich verstehen lässt, dass Gottes Liebe nicht von meinen Entscheidungen und Schwächen abhängt.

Gott kommt immer auf dich zu!

Darum braucht Gott auch keine stellvertretenden Tieropfer. Sind ihm leere Hände nicht lieber? Sind Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit nicht die besseren Gaben? Er zwingt mich nicht, ihn zu lieben. „Wenn du wüsstest, dass Gott immer auf dich zukommt ... Am wichtigsten ist, zu entdecken, dass er dich liebt, selbst wenn du meinst, ihn nicht zu lieben“, sind Worte von Frère Roger, dem Begründer der Taizé-Gemeinschaft.

Meiner Meinung nach war Jesus darum erzürnt. Nicht, weil seine Mitgläubigen ihren Glauben nicht ernst genug genommen hätten, sondern weil diese Form des Glaubens ständig in eine Sackgasse gerät. Weil bei dieser Praxis ausgeschlossen wird, dass Gott immer auf uns zukommt. Dies zu entdecken, ist aber das Wichtigste. Dann fühlen sich die Zehn Gebote anders an. Im Vorsatz steht nicht: Du musst. Der Vorsatz lautet vielmehr: Gott kommt immer auf dich zu! Er hat Dich herausgeführt aus dem Sklavenhaus.

Gott ist kein Geschäftspartner

Gottes Liebe ist seine Schwäche. Der Apostel Paulus weist in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth darauf hin. Man könnte sie als eine Torheit abtun, aber das „Törichte an Gott“ ist der Beweis seiner Zuverlässigkeit und Treue. Auch wenn wir ihm nicht antworten, „tastet er unser Schweigen nicht an“, schreibt Frère Roger. Das ist seine Stärke, dass er nicht aufhört zu lieben.

Da, wo ich mich selbst gebunden weiß durch die Liebe, wird es nicht einfacher, aber hell, und die Liebe wird immer mehr ein Teil von mir. Kämpfend und zürnend tritt Jesus dafür ein. Liebe ist nichts zum Weichspülen und Gott kein Geschäftspartner. 

Es braucht eine wärmende Kirche

Er räumt auf mit einer Glaubensvorstellung, die die Kirche leider – noch – nicht überwunden hat. Kardinal König (1905–2004) wünschte sich am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Eine wärmende, mütterliche Kirche … eine Kirche, der nichts fremd ist … Eine menschliche Kirche, eine Kirche für uns.“ Es ist besser, mit leeren Händen vor Gott zu stehen, dafür aber wahrhaftig und ehrlich, hörend und suchend, um zu entdecken, zu welcher Freiheit der Mensch gerufen ist!

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Fastensonntag / Lesejahr B finden Sie hier.

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