Kirche+Leben-Interview mit der Vorsitzenden des Sexualität-Forums

Bremsen Roms Gender-Aussagen den Synodalen Weg aus, Frau Mock?

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Das Vatikan-Dokument „Dignitas infinita“ positioniert sich zu Themen wie Homosexualität und Gender-Fragen. Sie wurden beim Synodalen Weg im Forum zu Sexualität und Partnerschaft behandelt. Birgit Mock war dessen Co-Vorsitzende und ist ZdK-Vizepräsidentin. Was bedeutet das neue Vatikan-Papier für die Reformforderungen?

Frau Mock, was bedeutet das Vatikan-Dokument „Dignitas infinita“ für den Synodalen Weg und die Reformsehnsucht vieler deutscher Katholiken?

Das Dokument dürfte zwar nicht in Bezug auf den Synodalen Weg verfasst worden sein. Es enthält aber Denkanstöße zu Themen, die wir im Auge behalten sollten. Es kann eine interessante Aufgabe sein, nach Querverbindungen und Bestärkungen zu suchen.

Was gefällt Ihnen gut am neuen Text?

Die Aussagen zu sozialen Fragen. Menschenhandel und sexualisierte Gewalt etwa werden klar verurteilt. Und die Erklärung spricht – für römische Papiere erstaunlich – auch Femizide an.

Das Thema sexualisierte Gewalt kommt doch recht kurz…

Das stimmt. Aber immerhin wird klar gesagt, dass „allen Arten von Missbrauch ein Ende zu setzen“ sei, „und zwar beginnend im Inneren der Kirche“. Das ist in weltkirchlichen Texten ein Fortschritt.

Bei der Sexualmoral referiert das Dokument bekannte katholische Positionen. Welchen Wert hat das?

Vielleicht ist das die Strategie, wie der Vatikan mit Ungleichzeitigkeiten umgehen will. Wir hatten eine große Veränderung Ende 2023 mit dem Papier „Fiducia supplicans“, in dem Papst Franziskus Segensfeiern für homosexuelle Paare ausdrücklich erlaubt. Auch wenn die kirchliche Lehre zunächst unverändert bleibt, wie jetzt „Dignitas infinita“ zeigt, hat das Segens-Papier dem Neuen einen Weg eröffnet. So kann die Praxis der Lehre vorausgehen.

Auch die Bewertung der Homosexualität ändert sich nicht. Was heißt das für Reformvorhaben des Synodalen Wegs, etwa für Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare?

Wir haben das klare Bekenntnis des Synodalen Wegs, dass wir Segensfeiern für Paare, die sich lieben, im Sinne des Evangeliums ermöglichen wollen und für richtig halten. Die Aussagen des Papstes zu Segenshandlungen unterstützen dies. Damit gehen wir jetzt in die Umsetzung.

Was bringt „Dignitas infinita“ Neues beim Thema Homosexualität?

Ich finde bemerkenswert, dass Verfolgung, Inhaftierung, Folter und Ermordung von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung ausdrücklich verurteilt werden. Darin sehe ich einen klaren Auftrag an unsere Kirche. Sich nämlich weltweit in allen Ländern, wo es Verfolgung gibt, politisch für die Rechte Homosexueller und von Menschen mit anderen geschlechtlichen Identitäten einzusetzen.

Mit Blick auf Gender-Fragen warnt „Dignitas infinita“, jeder „geschlechtsverändernde Eingriff“ bedrohe die menschliche Würde. Menschen sollten nicht versuchen, „über sich selbst verfügen zu wollen“ und Unterschiede der Geschlechter zu leugnen. Wie bewerten Sie das?

Es ist hier offensichtlich nicht der aktuelle Stand der humanwissenschaftlichen Erkenntnisse rezipiert worden. In Deutschland haben wir zu diesen Fragen sehr ausführlich und sehr differenziert gearbeitet. Wir haben erkannt, dass Menschen sich ihre geschlechtliche Identität und ihre sexuelle Orientierung nicht ausgesucht haben, sondern dass sie Ergebnis eines Entwicklungs- und Reifungsprozesses ist. Als Kirche haben wir nach meiner Überzeugung die Aufgabe, Menschen in diesen Prozessen zu begleiten und sie mit ihrem Glauben und ihrer geschlechtlichen Identität in der Kirche zu beheimaten.

Birgit Mock ist Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Beim Reformdialog Synodaler Weg war sie Co-Vorsitzende des Forums zu Beziehungen, Sexualität und Partnerschaft. Mock gehört dem Synodalen Ausschuss an und wurde in die Arbeitsgruppe „Segnungen für Paare, die sich lieben“ berufen. Die 54-Jährige ist Geschäftsführerin des katholischen Hildegardis-Vereins in Bonn, der Frauen dabei fördert, akademische und berufliche Qualifikationen zu erreichen. | jjo.

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