Bericht der Beratungsstellen im Landkreis Vechta

Caritas berät Arbeitsmigranten: Hohe Fluktuation wirft Fragen auf

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Warum tauschen Betriebe jedes Jahr bis zu 50 Prozent ihrer Arbeiter aus Osteuropa aus? Die Caritas-Berater für Arbeitsmigranten im Landkreis Vechta können nur vermuten, was oder wer dahintersteckt.

„Es hat sich für die Arbeiter viel positiv verändert“, sagt Josef Kleier. Auch Betriebsräte bestätigten ihm: Seit mit dem Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit Schlachtarbeiter wieder direkt bei den Betrieben angestellt sind, kümmert man sich besser um sie.

Und doch macht eine Sache den Juristen in der Caritas-Beratungsstelle für Arbeitsmigranten für den Landkreis Vechta stutzig: die hohe Fluktuation in der Belegschaft mancher Unternehmen, zum Teil bis zu 50 Prozent pro Jahr. Bei einem Treffen von Experten wurde ihm diese Zahl gerade erst bestätigt. Über alle Unternehmen hinweg wären das bis zu 600 Mitarbeiter in der Region.

Sind Anwerber in Dunkelfeld aktiv?

„Das wirft die Frage auf, ob möglicherweise weiterhin ,gewisse Strukturen‘ im Hintergrund aktiv sind“, sagt Josef Kleier. Dass etwa Anwerber in einem „Dunkelfeld“ zum Beispiel Arbeiter aus Osteuropa vermitteln. Und möglicherweise auch beteiligt seien, sie nötigenfalls zügig auszutauschen.

Der Jurist berät gemeinsam mit Sozialarbeiterin Elisabeth Vodde-Börgerding zugewanderte Arbeiter bei Problemen mit ihren Arbeitgebern. Die zwei bilden das Team der Caritas-Beratungsstelle für Arbeitsmigranten im Landkreis Vechta. Sie helfen zum Beispiel, wenn der Lohn nicht bezahlt wurde oder Urlaubstage nicht bezahlt werden. Parallel dazu betreibt das Caritas-Sozialwerk (CSW) Lohne eine Beratungsstelle für den Landkreis Cloppenburg.

Vechta und Lohne Hotspots der Arbeitsmigration

Beide Landkreise gehören zu den Hotspots der Zuwanderung in Deutschland. Das und die prekären Arbeitsbedingungen in der Schlachtindustrie der Region waren der Grund dafür, dass die Landkreise gemeinsam mit dem Bischöflichen Offizialat 2018 die Beratungsstellen eingerichtet hatten. Ein Zehntel der Kosten trägt die Kirche, den Rest teilen sich die Landkreise.

Menschen aus Rumänien, Bulgarien und Syrien machten 2022 den größten Teil der insgesamt 208 Hilfesuchenden aus. Ein Großteil weiterhin von Schlachthöfen, aus dem Reinigungsgewerbe und der Landwirtschaft.

Zahlen sind kleiner geworden – das Problem nicht

Die Gesamtzahl der Klienten habe sich zwar leicht verringert, sagt Josef Kleier. Das Problem sei aber nicht kleiner geworden, ergänzte Caritas-Sozialwerk-Geschäftsführer Heribert Mählmann bei der Vorstellung des Beratungsstellen-Berichts für die Jahre 2021/2022.

Der leichte Rückgang ist aus seiner Sicht keine Folge des 2021 in Kraft gesetzten Arbeitsschutzkontrollgesetzes und des damit verbundenen Verbots von Leiharbeit in Schlachtbetrieben. Sondern zum Beispiel Resultat von Corona und den damit einhergehenden Schwierigkeiten, immer wieder neu Vertrauen und Kontakt zu den Arbeitsmigranten aufzubauen. Mählmanns Befund: „Der Bedarf nach juristischer Beratung ist vielleicht sogar noch höher als vorher.“ Für Menschen, die die Region dringend brauche.

Die Region braucht dringend Zuwanderung

Dass diese Bedeutung von Zuwanderung noch nicht allen bewusst sei, ist auch Elisabeth Vodde-Börgerdings Eindruck: „In der Arbeitswelt werden diese Menschen gebraucht, aber ansonsten laufen sie unter dem Radar.“

Für Mählmann zeigt vor allen Dingen eine Kennzahl aus der Beratungsarbeit deutlich, was auf die Region in den kommenden Jahren zukomme: der wachsende Anteil der Hilfesuchenden, die mit ihren Familien hier lebt. Mittlerweile macht er gut zwei Drittel aus. „Das zeigt, wie wichtig die Integrationsarbeit in den verschiedenen Feldern sein wird.“ Nicht nur in der Rechtsberatung.

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