Sozialpfarrer prangert unwürdige Wohnbedingungen für Arbeitende an

Kossen: Migranten müssen 400 Euro für verschimmelte Matratze zahlen

  • Pfarrer Peter Kossen prangert menschenunwürdige Bedingungen an, unter denen Arbeitsmigranten auch im Münsterland leben.
  • Manche müssten für eine „Matratze im verschimmelten Mehrbettzimmer“ 400 Euro im Monat zahlen.
  • Inzwischen seien ganze Familien mit Kindern betroffen.

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„Keine Privatsphäre, kein Rückzugsraum, keine Ruhe“: Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich vom Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ prangert menschenunwürdige Bedingungen an, unter denen Arbeitsmigranten aus Ost- und Südosteuropa auch im Münsterland leben.

Betroffene würden in der Beratung des Vereins berichten, dass sie für eine „Matratze im verschimmelten Mehrbettzimmer“ 400 Euro im Monat von ihrem ohnehin geringen Lohn zahlen. Mitunter müssten sie sich die Matratze noch „schichtweise“ teilen.

„Ganze Familien betroffen – Kinder verstört“

Nicht nur Einzelpersonen seien betroffen, sondern ganze Familien. „Erzieherinnen erzählen mir von verstörten, verängstigten und geschwächten Kindergartenkindern, die in solchen Verhältnissen leben und aufwachsen“, beschreibt Kossen in einer Mitteilung der „Aktion Würde und Gerechtigkeit“. Manche Kinder würden fast den ganzen Kindergartentag verschlafen, weil sie „nachts in den Unterkünften Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch und auch Prostitution miterleben“.

Solche Wohnverhältnisse verhinderten nicht nur die Erholung der Arbeitenden nach schwersten Arbeiten, sondern auch jede Art von Integration, betont Kossen. Parallelwelten seien die Folge, Abschottung und rechtsfreie Räume.

„Migranten haben keine Chance auf bezahlbaren Wohnraum“

Der Pfarrer ruft Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit Nachdruck auf, für menschenwürdige Wohnverhältnisse, Integration und Teilhabe der Arbeitsmigranten zu sorgen. Da günstiger Wohnraum allgemein fehle, der Soziale Wohnungsbau weitgehend ausfalle und die Sozialbindung von Wohnungen ablaufe, „ohne dass für Ersatz gesorgt wird“, hätten Migranten so gut wie keine Chance auf bezahlbare menschenwürdige Wohnungen, so Kossen.

Hinzu komme, dass Leiharbeits-Arbeitgeber oft eigene „Schrottimmobilien“ als Quartier für die Menschen nutzen. So müssten diese fürchten, „mit dem Job auch das Dach über dem Kopf zu verlieren“.

Ein Problem für die Behörden sei, dass Arbeitsmigranten Kossen zufolge erst nach drei Monaten angemeldet werden müssen. Das führe vielerorts zu einem regelrechten „Verschiebebahnhof“: Manchmal seien Migranten nur ein paar Nächte in einer bestimmten Unterkunft und müssen dann wechseln, „weil ihr Vermieter Kontrollen und Kontaktaufnahmen vermeiden will“.

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