Sozialpfarrer spricht beim Fastenessen evangelischer Gemeinden in Wilhelmshaven

„Menschen wie Verschleißmaterial“: Kossen greift Werkverträge an

  • Pfarrer Peter Kossen hat in Wilhelmshaven die anhaltende Ausbeutung von Werkvertragsarbeitern kritisiert.
  • Rechtsstaat und Gesellschaft würden dadurch unglaubwürdig, so der Pfarrer aus Lengerich.
  • Er fordert eine wirksame Arbeitskontrollbehörde, die vor Ort Recht und Gesetz durchsetzt.

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Arbeiter auf einem Geflügelschlachthof mit 170 Euro Lohn für eine Sieben-Tage-Woche, mit 500 Euro Eintrittsgeld für den Arbeitsplatz – solche Fälle hat Pfarrer Peter Kossen beim Voslapper Fastenessen der evangelischen Kirchengemeinden in Wilhelmshaven-Nord am heutigen Freitagabend vorgestellt. Sie beschäftigen den in Lengerich tätigen katholischen Pfarrer und Arbeitsrechts-Aktivisten seit Jahren.

Oft begegne ihm der Vorwurf, immer das Gleiche zu erzählen. „Aber das ist doch der Skandal, dass es nichts Neues gibt“, sagte Kossen.

„Arbeitskräfte wie Verschleißmaterial“

Immer noch seien Werkverträge in bestimmten Branchen ein Mittel, um „Arbeitskräfte wie Verschleißmaterial“ behandeln zu können. Bei einer Großschlachterei in Münster seien so aufgrund der „unmenschlichen Arbeitsbedingungen“ rund 1.000 Menschen in einem Jahr „durchgetauscht“ worden.

Namhafte Unternehmen arbeiteten dafür mit Leiharbeitsfirmen zusammen, die zugewanderte Menschen aus Rumänien, Bulgarien und Moldawien vermittelten. Frauen aus den genannten Ländern landeten häufig in der Prostitution. „Wer mit Menschenhändlern zusammenarbeitet, ist mitschuldig an der modernen Sklaverei in unserem Land“, sagte Kossen.

„Sumpf von Kriminalität“

Peter Kossen, Pfarrer von Sel. Nils Stensen Lengerich. | Archivfoto: Johannes Bernard
Peter Kossen ist Pfarrer in Lengerich. | Archivfoto: Johannes Bernard

So werde „ein Sumpf von kriminellen Leiharbeitsfirmen“ geschaffen, um die Unternehmerverantwortung abzuwälzen. In der Regel seien acht von zehn Beschäftigten gar nicht beim Unternehmen selbst angestellt, berichtete Kossen.

Dieses System des „Lohn- und Sozialdumpings“ habe sich von der Fleischindustrie inzwischen ausgebreitet in Teile der Metallindustrie, der Logistik und in andere Branchen. Überall werde der Mindestlohn „umgangen und ausgehöhlt“.

Ruf nach mehr Kontrollen

Um diesen Missständen abzuhelfen, brauche es eine gut ausgestattete Arbeitskontrollbehörde, die Gesetze durchsetze und kriminelle Strukturen durchbreche, forderte Kossen. Daran mangele es vor Ort oft. Selbstverpflichtungs-Erklärungen der Fleischindustrie hätten nichts bewirkt.

Die prekär Beschäftigten seien später als Altersarme auf Sozialleistungen angewiesen, sagte der Pfarrer. Der Staat bezahle so indirekt für verantwortungslose Geschäftsmodelle. „Will die Politik das Unrecht nicht sehen? Wer dirigiert denn die Politik in den Kommunen und mit welchem Recht?“

Das Pellkartoffel-Fastenessen in Wilhelmshaven organisieren vier evangelische Kirchengemeinden. Mit dem Erlös wird ein Oster-Festessen für Wilhelmshavener Wohnungslose finanziert.

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