Pater Maurus Runge OSB zu Vielfalt in der katholischen Kirche

Deutsche Überheblichkeit kann weltkirchlich Reformen gefährden

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Katholisch kann so bunt sein! Das hat der Weltjugendtag in Lissabon eindrucksvoll gezeigt. Doch wo in Deutschland Reformbedarf gesehen wird, muss das anderswo ganz und gar nicht so sein. Wie als Kirche damit umgehen? Pater Maurus Runge von der Abtei Königsmünster in Meschede hat aus seiner Erfahrung mit einem weltweiten Klosterverbund klare Empfehlungen.

Haben Sie schon einmal von Protase Rugambwa gehört? Oder von Stephen Ameyu Mulla? Der erste ist Bischof von Tabora, einer kleinen Diözese im Norden Tansanias, der zweite Erzbischof von Juba im Südsudan. Beide wird Papst Franziskus Ende September ins Kardinalskollegium aufnehmen. Mit dabei sind auch neue Kardinäle aus Argentinien, Hongkong, Israel, Südafrika… Aus Deutschland ist keiner dabei – das war auch das Einzige, was man hierzulande darüber lesen konnte.

Bei seinen Kardinalsernennungen sorgt der Papst regelmäßig für Überraschungen. „Gesetzte“ Kardinalssitze übergeht er gerne und geht dafür an die Peripherien, die Ränder der Kirche – nicht zuletzt in Regionen, die von Gewalt gepeinigt sind wie der Südsudan. Das höchste Beratergremium ist in den letzten Jahren durchaus vielfältiger und diverser geworden.

Weiße Überheblichkeit

Der Autor
Pater Maurus Runge OSB, gebürtig aus dem Bistum Münster, ist Benediktiner der Abtei Königsmünster in Meschede und arbeitet in seinem Kloster als Missionsprokurator und in der Öffentlichkeitsarbeit.

Wenn in Deutschland von der Weltkirche die Rede ist, dann meistens, um Argumente gegen oder für Reformen zu sammeln – je nach Sichtweise. Da wird entweder gegen eine „deutsche Nationalkirche“ polemisiert, die sich von der weltweiten Kirche abspalte, oder es wird betont, dass die Probleme überall auf der Welt gleich und daher Reformen überfällig seien.

Im schlimmsten Fall ist unser Blick auf andere Ortskirchen von einer weißen Überheblichkeit geprägt, die meint, wir hätten in Deutschland die Lösung für alle Probleme. Oder wir verständen die Probleme der Menschen anderer Kulturen besser als sie selbst.

Altlast Kolonialgeschichte

Als Missionsprokurator bin ich in meinem Kloster für die Kontakte zu unseren Mitbrüdern in Afrika, Asien und Lateinamerika verantwortlich. Ich bin in dieser Funktion auch viel in den betreffenden Ländern unterwegs. Dabei merke ich, wie gerade unsere Mitbrüder in Afrika sehr sensibel sind gegenüber der Art, wie wir als Europäer auftreten.

Äußern wir Kritik aus einem Modus der Überheblichkeit, weil wir meinen, alleine die Weisheit zu besitzen? Oder hören wir zunächst einmal zu, was die Menschen in den verschiedenen Ortskirchen wirklich brauchen? Eine unselige Kolonialgeschichte bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts ist da oft eine schwierige Altlast, die geradewegs hineinführt in viele unbewusste Denkweisen und Vorurteile.

Fremde Perspektiven

In Kontakt mit Menschen anderer Ortskirchen bin ich vor allem ein Lernender. Mehr ein Beschenkter denn ein Gebender. Beschenkt von Menschen, die ihren Glauben unter schwierigsten Bedingungen leben. Und gerade in der Aus­einandersetzung mit fremden Perspektiven lerne ich die Ausdrucksformen des Glaubens bei uns in Deutschland ganz neu schätzen.

Ich bin dankbar, dass es so eine Vielfalt in unserer katholischen Weltkirche gibt – und würde mir wünschen, dass wir diese Vielfalt auch innerhalb unserer deutschen Kirche anerkennen.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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