Thomas Schwartz ist als Gast im Oktober im Vatikan dabei

Weltsynode: Renovabis-Chef hofft auf offene Debatten zu Streitfragen

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Vom 4. bis 29. Oktober kommt im Vatikan die Weltsynode zusammen. 378 Mitglieder, darunter Bischöfe und Priester sowie 70 nicht geweihte Frauen und Männer werden mit Stimmrecht teilnehmen. Auch spezielle „Gäste“ sind dabei. Einer davon ist der Chef des deutschen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, Thomas Schwartz (59). Im Interview spricht er über seinen Status und die Rolle des Papstes.

Pfarrer Schwartz, wie kamen Sie zu Ihrer Einladung?

Bereits im Frühjahr war ich bei der Kontinentalphase des synodalen Prozesses in Prag dabei. Vertreter osteuropäischer Diözesen hatten gebeten, dass auch jemand vom Hilfswerk Renovabis dazustoßen möge. Offensichtlich habe ich meine Arbeit, die im Zuhören und Vermitteln bestand, gut gemacht. Denn Kardinal Mario Grech, einer der Hauptorganisatoren der Weltsynode, wurde auf mich aufmerksam.

Was wird von einem „Gast“ erwartet?

In erster Linie gilt es, den Teilnehmenden zuzuhören. Aus der Unparteilichkeit heraus – Gäste haben kein Stimmrecht – sollen wir dann versuchen, Brücken zu bauen. Diese sind auch für jene gedacht, die vielleicht im ersten Augenblick nicht geneigt sind darüber zu gehen. Aber ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden, doch noch in einen Austausch zu kommen. Denn Synode geht nur, wenn alle miteinander auf einem Weg sind.

Ist das Ihre Auftragsinterpretation?

Mir hat ein römischer Vertreter gesagt, ihnen sei wichtig, dass ich als ein Mann der Mitte, der zuhören und vermitteln kann, teilnehme. Das haben wir bei Renovabis über die Jahre gelernt. Es geht nicht darum, die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Vielmehr soll mit den Partnern gemeinsam geschaut werden, wie in dem jeweiligen Land ein Projekt nachhaltig für die Menschen und die Kirche gestaltet werden kann. In erster Linie bin ich als Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks eingeladen, nicht als Privatperson Thomas Schwartz. Ich sehe das als große Ehre für mein Haus an.

71 Seiten umfasst das Arbeitspapier für die Synode. Haben Sie sich schon eingelesen?

Freilich. Das „Instrumentum Laboris“ besteht aus einem theologischen und einem methodologischen Teil. Daran schließt sich ein Katalog mit Fragen an. In meinen Ferien habe ich zudem ein 100-seitiges Heft der internationalen Theologenkommission zum Thema Synodalität gelesen. Dabei wurde mir bewusst, dass sich in Bezug auf die Synodalität der Kirche im Pontifikat von Franziskus eine spannende Entwicklung abzeichnet.

Was versteht man unter methodologisch?

Renovabis-Chef Thomas Schwartz
Thomas Schwartz nimmt als „Gast“ an der Weltsynode in Rom teil. | Foto: Daniela Schulz (pd)

Es geht darum, auf welche Weise der Weg beschritten werden soll. Jedenfalls nicht wie in einem Parlament, wo für eine Meinung eine Mehrheit zu suchen ist. Nehmen wir die Frage, wie künftig mit Frauen in der Kirche umgegangen werden soll. Alle Christen haben diese, geben aber verschiedene Antworten. Einige haben eine besondere Aufgabe, weil sie als Bischöfe in ihren Bistümern das Volk Gottes leiten und auch die Umsetzung dieser gemeinsamen Antworten, die man sucht, gewährleisten müssen. Aber sie können das nur mit dem Papst. Denn dieser sorgt dafür, dass die Einheit der Kirche gewahrt bleibt.

Und jetzt?

Spannend ist, dass in beiden Dokumenten das im Neuen Testament beschriebene Apostelkonzil in Jerusalem in Erinnerung gebracht wird. Dort hatten alle ein Sprechrecht und konnten ihre Meinungen sagen, auch wenn sie manchem nicht passten. Im Anschluss aber schwieg man, denn dann erst konnte der Heilige Geist wirken. Das ist auch ein wesentliches Element der ignatianischen Spiritualität. Manchmal spricht der Geist nicht auf eingefahrenen Wegen, sondern bringt plötzlich eine Lösung, die man selbst nicht gesehen hat. Das geht aber nur, wenn man nicht alles gleich kommentiert oder ablehnt, sondern seinen Mund hält, zuhört und das Gesprochene verarbeitet.

Das Apostelkonzil als Vorbild für eine synodale Kirche?

Es wäre ein Modell, das sich in der frühen Kirche findet. Dieses müsste aber wieder neu eingeübt werden. Deshalb gehören Bibellektüre und Gottesdienste bei der Synode bewusst dazu. Vier Wochen sind angesetzt – eine lange Zeit. Die Teilnehmenden werden gebeten, währenddessen nicht in ihre Bistümer zurückzufahren. Sie sollen sich auf die Begegnungen, Gespräche und Diskussionen einlassen und diese wirken lassen, damit der Heilige Geist in Ruhe arbeiten kann. Dass bei diesem Treffen noch keine Beschlüsse verabschiedet werden, ist gut. Da kann man ohne Angst reden.

Wie lassen sich die Anliegen des deutschen Reformprojekts Synodaler Weg einbinden?

Beim Synodalen Weg wurde angesichts des Missbrauchsskandals nach Antworten gesucht, wie die Zukunft der Kirche neu gestaltet werden kann. Daraus haben sich Strukturfragen ergeben, zu denen Beschlüsse etwa mit Blick auf die Rolle der Frau oder die Neubewertung der Sexualität verabschiedet wurden. So sind Themen gesetzt worden, die nicht nur Westeuropa, sondern die Weltkirche umtreiben. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Co-Moderatorin des Synodalen Wegs, Irme Stetter-Karp, zur Synode eingeladen worden wäre. Zumindest ist ihr Vize, der Theologe Thomas Söding, dabei.

Wer sich auf den Weg begibt, kann stolpern. Wie sähen die Folgen für die Kirche aus?

Die Geschichte der Kirche zeigt, dass es Fehlentwicklungen gegeben hat. Es kam zu Streitereien, ja zu Trennungen. Aber in 2.000 Jahren passierten auch neue Aufbrüche. Nach der Reformation kamen große Persönlichkeiten wie Ignatius von Loyola, Johannes vom Kreuz oder Teresa von Avila. So blieb diese Kirche in Bewegung. Im Notfall ist der gute Hirte gefragt. So sehe ich auch Franziskus. Er will in die Zukunft. Im Notfall muss er jene tragen, die aus Angst oder anderen Gründen stehengeblieben sind. Er zwingt sie nicht auf den Weg, sondern er trägt sie auf seinen Schultern. Das dürfte für ihn in den kommenden Jahren eine wirkliche Last werden.

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