Evangelische Kirche überarbeitet Position zum Paragrafen 218

EKD: Abtreibung unter Bedingungen außerhalb des Strafrechts regeln

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Eine Regierungskommission soll Vorschläge erarbeiten, wie Abtreibungen künftig geregelt werden sollen - womöglich außerhalb des Strafrechts. Während die katholische Kirche an der bisherigen Regelung festhalten will, hat die EKD ihre Position überarbeitet.

In der Debatte um eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs plädiert die evangelische Kirche für eine teilweise Streichung strafrechtlicher Vorschriften. "Die EKD tritt dafür ein, Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts zu formulieren", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an die von der Bundesregierung eingerichtete Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.

Die "Fortschreibung" der EKD-Position berücksichtige eine gesellschaftliche Entwicklung, die die Perspektive der Schwangeren und ihre reproduktiven Rechte stärker in den Blick nehme. Der Rat der EKD betont aber auch, er halte eine “vollständige Entkriminalisierung” des Schwangerschaftsabbruchs wegen der Verpflichtungen des Staates für den Schutz des Lebens für “nicht vertretbar”. Zudem plädiert er weiter für eine verpflichtende Beratung der Schwangeren vor einer Abtreibung.

Vorgeschlagene Fristen

Der Rat der EKD spricht sich für eine “abgestufte Fristenkonzeption” aus, bei der zwischen den verschiedenen Schwangerschaftsstadien unterschieden werden soll. Dem Recht des Ungeborenen auf Leben in der Abwägung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren sei mit fortschreitender Schwangerschaft zunehmendes Gewicht einzuräumen. Über die Fristen sei noch zu diskutieren.

Die Stellungnahme selbst nennt zwei Zeiträume als Orientierung. Spätestens ab der sogenannten extrauterinen Lebensfähigkeit, die üblicherweise ab der 22. Schwangerschaftswoche angesetzt werde, “sollte ein Schwangerschaftsabbruch strafrechtlich geregelt und nur in klar definierten Ausnahmefällen zulässig sein”.

Pflicht zur Beratung

Hinsichtlich möglicher weiterer Fristen müsse ausgelotet werden, wie viel Zeit der Schwangeren minimal eingeräumt werden sollte, um eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Das könnten die ersten zwölf Wochen nach Empfängnis sein, heißt es.

Die weitere Beratungspflicht begründet der Rat der EKD mit der “irreversiblen Tragweite” eines Schwangerschaftsabbruchs, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des ungeborenen Lebens und der Autonomie betroffener Frauen. “Gerade Frauen, deren Selbstbestimmungsrecht durch ökonomische Abhängigkeiten oder ihre Freiheitsansprüche in Frage stellende Strukturen eingeschränkt ist, können von einem bloßen Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung unter Umständen keinen Gebrauch machen”, argumentiert die EKD.

Blick auf Rahmenbedingungen

Der Rat der EKD fordert zudem mehr Aufmerksamkeit für die Rahmenbedingungen, die mit dafür verantwortlich seien, dass sich Frauen und Paare für oder gegen ein Kind entscheiden. Das gelte etwa bei der Frage nach Wohnraum, Kinderbetreuung und ökonomischer Sicherheit durch Arbeitsbedingungen, die es ermöglichen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

Die EKD war in der Reformdebatte bislang für die geltende rechtliche Regelung zu Schwangerschaftsabbrüchen eingetreten, die Kritiker vermehrt als Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ansehen. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz ist gegen Veränderungen der Rechtslage.

Die von der Bundesregierung berufene Kommission für reproduktive Selbstbestimmung berät, ob und wie Abtreibungen außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden sollen. Im kommenden Frühjahr soll sie Vorschläge vorlegen. Kirchenvertreter gehören der Kommission nicht an.

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