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Seit Jahren war Helmut Hortmann Anhänger von Borussia Dortmund und Mitglied im Verein. Als langjähriger Dauerkarten-Besitzer war er bei unzähligen Spielen „seines“ Vereins. Doch die Dauerkarte hat der emeritierte Pfarrer abgegeben, alle Fan-Sticker von seinem Auto und die Vereinsfahne von seinem Balkon entfernt. Denn „Fußball ist nicht mehr das, was er mal war“, meint der 79-Jährige aus Freckenhorst.
„Kirche+Leben“: Pfarrer Hortmann, wie kam es zu Ihrem Bruch mit Borussia Dortmund?
Helmut Hortmann: Ausschlaggebend waren zwei Ereignisse, die unmittelbar zusammenhängen. Ich war beim Champions-League-Spiel Dortmund gegen Monaco, als der Anschlag auf die Dortmunder Elf im Mannschaftsbus verübt wurde. Im Stadion hat man uns Fans lange im Unklaren gelassen. Erst kurz vor dem offiziellen Spielbeginn wurde gesagt, dass das Spiel am nächsten Tag nachgeholt würde – ohne genaue Gründe zu nennen. Inzwischen war aber schon durchgesickert, was passiert war. Dass dann die Mannschaft nach einem solchen Ereignis, dem Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus, bei dem auch ein Spieler verletzt wurde, nur einen Tag später wieder spielen sollte, fand ich menschlich unmöglich. Zumal das von der UEFA mit der Geschäftsführung des Vereins beschlossen wurde, offensichtlich ohne Rücksprache mit dem Trainer und den Spielern.
Was mich auf die Palme gebracht hat, war die Art und Weise, wie daraufhin am Saisonende mit dem Trainer Thomas Tuchel umgegangen wurde. Tuchel hatte den Geschäftsführer des BVB, Hans-Joachim Watzke, dafür kritisiert, dass er die Mannschaft am Tag nach dem Anschlag wieder hatte spielen lassen. Daraufhin hatte Aki Watzke eine ausgiebige Analyse der Saison zwischen ihm und Tuchel angekündigt. Diese Analyse hat allerdings gerade mal 20 Minuten gedauert – hat in meinen Augen also nicht wirklich stattgefunden. Und das Ergebnis war: Tuchel musste gehen. Ein solcher Stil hat in meinen Augen nichts mit „echter Liebe“ zu tun, wie sie im Verein so hochgehalten wird. Daraufhin bin ich aus dem Verein ausgetreten.
Auf das rasche Nachholen des Spiels soll die UEFA auch mit finanziellem Druck hingewirkt haben. Wie bewerten Sie millionenhohe Ablösesummen, Vermarktungsrechte und den Kommerz im Profifußball?
Ich bin überzeugt, dass, wenn es im Profifußball so weitergeht, dass er sich selbst zu Tode reitet. Es ist mittlerweile ein reines Spiel des Kapitals. Und alle spielen mit. In der Bundesliga, aber auch international. Für mich ist das daher auch kein Sport mehr, sondern ein Showgeschäft. Die zahlen keine Gehälter, sondern Gagen. Auch die Eintrittsgelder werden von Saison zu Saison höher. Aber wir Idioten machen das ja mit. Wir fahren in die Stadien. Ich auch.
In den letzten Tagen wird wieder stark über Ultras und Hooligans in Fußballstadien diskutiert. Auch Borussia Dortmund hat Anhänger aus diesem Sektor. Was halten Sie von solchen „Fans“?
Bei dem Thema muss man genau differenzieren, ohne zu verniedlichen. Ich glaube, die Ultras haben einen guten Ansatz. Sie wollen den Kommerz im Fußball verhindern. Das ist gut. Leider gibt es unter ihnen Leute, die schrecken dafür vor nichts zurück, auch nicht vor Gewalt. Das ist schlimm.
Zu beachten ist auch, dass die Ultras auf der Südtribüne im Dortmunder Stadion zum Großteil für die gute Stimmung und für friedliche Action im Stadion sorgen. Und ich erinnere mich an eine Situation, als ich im Stadion war und die Südtribüne auf einmal ganz ruhig wurde. Erst auf dem Heimweg habe ich mitbekommen, dass dort ein Fan zusammengebrochen war. Da haben die Ultras höchste Pietät gezeigt.
Die gewaltbereiten Hooligans, die sich ohne jede Verbindung zum Fußball ein Feindbild in den gegnerischen Fans suchen, die sind schon eher Kriminelle. Ich finde es lobenswert, dass der DFB nun Kontakt zu diesen Gruppen sucht und auch bei Strafen mehr differenzieren möchte. Ich zweifle aber daran, dass das gelingt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Fußballs?
Dass es wieder weniger ein Geschäft und etwas mehr ein Spiel wird, und dass die Profigehälter mehr dem Standard in der Gesellschaft entsprechen.