Pfarrer Derrix über die Zusammenarbeit mit den Lebensmittelrettern

„Foodsharing“: Pfarrei in Rheurdt setzt Zeichen gegen Verschwendung

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Jedes Jahr landen in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll. Das muss nicht sein, findet die Pfarrei St. Martinus im niederrheinischen Rheurdt und hat in Zusammenarbeit mit der Gruppe „Foodsharing“ an drei Standorten sogenannte Fairteiler aufgestellt. Wie dieses Projekt entstanden ist und warum die Fairteiler-Stationen Anton, Hubert und Nikolaus heißen, erklärt der dortige Pfarrer Norbert Derrix im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.

Herr Derrix, Ihre Pfarrei arbeitet mit den Verantwortlichen von „Foodsharing“ zusammen, um Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten und essbare Lebensmittel der Allgemeinheit anzubieten. Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?

Es ist eine Idee davon, dass wir für Menschen, die durch die Versorgungsraster auch des Staates fallen, eine Möglichkeit schaffen wollten, Lebensmittel zu bekommen. Schon vor drei Jahren hatten wir erste Überlegungen dazu angestellt. Durch die Corona-Pandemie wurden sie vertagt, aber nicht vergessen. Bei einem Taufgespräch kam ich dann wiederum (gottgewollt!) mit Eltern ins Gespräch, die engagierte Foodsaver, also Lebensmittelretter sind. Nachdem wir die Taufe besprochen hatten, nahmen wir uns vor, das Thema in unserer Gemeinde St. Martinus aufzugreifen. Wir, die Gemeinde, stellten also den Foodsavern Möglichkeiten zur Verfügung, wo sie die geretteten Lebensmittel der Allgemeinheit anbieten können. Mehrere Fairteiler-Stationen wurden an markanten Stellen aufgebaut, so an den Kindergärten und am Pfarrhaus. Jeder hat so die Möglichkeit, gerettete Lebensmittel mitzunehmen.

Die Fairteiler sind also bekannt in den Ortsteilen der Gemeinde?

Ja. Die Fairteiler haben auch Namen: „Anton“ in St. Antonius Tönisberg, „Hubert“ in St. Hubertus Schaephuysen und „Nikolaus“ in St. Nikolaus Rheurdt. Sie werden selbstständig von den Foodsavern bestückt, sauber gehalten und gepflegt. Leider musste „Anton“ wieder abgebaut werden, da dort zu viel zerstört wurde – sehr zum Leidwesen der Familien, die ihre Kinder zum Kindergarten bringen, wo der Fairteiler aufgebaut war. Wir suchen nun nach einer sicheren Standortlösung.

Wie ist die Aktion angenommen worden?

Pfarrer Norbert Derrix
Pfarrer Norbert Derrix unterstützt die Aktionen der Gruppe „Foodsharing“. | Foto: privat

Obwohl im Ort bekannt gemacht, war ich skeptisch, ob die Fairteiler angenommen würden. Doch hat sich meine Skepsis schnell zerstreut. Sehr viele Menschen nutzen diese Möglichkeit und nehmen sich aus dem Angebot heraus, was sie brauchen, und retten so die meist noch guten Lebensmittel. Das beobachte ich zum Beispiel in meiner Hauseinfahrt, wo ein Fairteiler auf dem Weg zur Kindertagesstätte aufgebaut ist. Es kommen auch Nachfragen von außerhalb, wann die Fairteiler bestückt werden. Leider kann ich das nie sagen. Ich sehe nur, wenn eine neue Lieferung da ist oder diese von engagierten Lebensmittelrettern bestückt wird.

Welchen Nutzen sehen Sie?

Insgesamt erlebe ich die Möglichkeit, Lebensmittel zu retten und auch unter bedürftige Menschen zu bringen, als eine große Bereicherung für den Gedanken der Caritas auf niederschwelliger Ebene an. Das Projekt ist gut angenommen worden, weswegen wir die Fairteiler aus dem Provisorium zu einer hoffentlich Dauereinrichtung heben werden.

Welche Tipps und Ideen können und sollten Pfarreien für Nachhaltigkeit und für einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln geben?

Sollten sich andere Gemeinden dafür interessieren, rate ich, sich an die offiziellen Foodsaver zu wenden, die oft begeistert sind, dass sie öffentliche Lagermöglichkeiten bekommen. Wichtig ist auch, darzustellen, dass diese Einrichtung keine Konkurrenz zu der wichtigen Arbeit der Tafel darstellt, denn hier geht es in erster Linie um Rettung von Lebensmitteln und dann erst um das Erreichen auch der Menschen, die keinen Bezugsschein für die Tafeln bekommen. Die Zurverfügungstellung allein dieser Möglichkeit ist gerade in heutiger Zeit eine Chance, nachhaltig und bewusster mit „ausgedienten“ Lebensmitteln umzugehen: Schon die Kinder in den Kindertagesstätten können lernen, dass Lebensmittel auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch essbar sind und nicht weggeworfen werden müssen. Auch das Stichwort „Containern“ ist gerade im Umlauf und regt zum Nachdenken an.

Wer kann zum Lebensmittelretter werden?

Eigentlich alle. In unserer Gemeinde hat es sich sogar eingeschlichen, dass Menschen aus ihrer privaten Gartenfrüchteernte überzähliges Gemüse in den Fairteilern anbieten. Darunter sind auch Bauern und Gärtner. Damit ist der Gedanke des fairen Teilens bei uns angekommen – wofür ich sehr dankbar bin.

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