Papst warnt in TV-Interview zugleich vor Vertuschung

Franziskus: Missbrauch hat nichts mit Zölibat zu tun

Für Papst Franziskus hat sexueller Missbrauch nichts mit dem Zölibat zu tun.

Zugleich warnte er in einem Interviewvor Vertuschung solcher Taten durch Priester.

Die MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz von 2018 kommt gleichwohl zu einer anderen Erkenntnis.

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Für Papst Franziskus hat sexueller Missbrauch nichts mit dem Zölibat zu tun, also mit der Verpflichtung der Priester zu einem ehelosen Leben. Missbrauch sei eine "zerstörerische, menschlich teuflische Sache" und passiere an vielen Orten, vorrangig in Familien, wo es den Zölibat nicht gebe, sagte das Kirchenoberhaupt in einem am Montagabend veröffentlichten Interview des Fernsehsenders CNN Portugal.

Bei Missbrauch in der Kirche handele es sich daher "um die Monstrosität eines Kirchenmannes oder einer Kirchenfrau, die psychisch krank oder böse ist und ihre Position zur persönlichen Befriedigung ausnutzt". Franziskus fügte wörtlich hinzu: "Unsere Kultur ist eine Kultur des Missbrauchs."

Papst: Wer missbraucht, kann kein Priester bleiben

Damit wolle er Missbrauch in der katholischen Kirche unter keinen Umständen leugnen oder kleinreden, ergänzte der Papst: "Selbst wenn es nur einer ist, ist es ungeheuerlich." Denn ein Priester oder eine Ordensfrau sei gerufen, Jungen und Mädchen zu Gott zu bringen.

Durch den Missbrauch werde stattdessen das junge Leben zerstört. So etwas dürfe nie vertuscht werden; es gelte null Toleranz im Fall von Missbrauch. "Ein Priester kann nicht Priester bleiben, wenn er missbraucht hat", sagte Franziskus.

Deutsche Studie: Zölibat bei unreifen Personen problematisch 

In der MHG-Studie, die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz 2018 den Missbrauch in der katholischen Kirche untersucht hat, kommt zu einer anderen Bewertung von Zölibat und Missbrauch. So könne die Verpflichtung zu einem zölibatären Leben Priesteramtskandidaten mit „einer unreifen und abgewehrten homosexuellen Neigung als Lösung innerpsychischer Probleme scheinen“, heißt es in der Studie. Diese bringe zusätzlich sogar die Aussicht auf ein enges Zusammenleben ausschließlich mit Männern zumindest während der Priesterausbildung. Besondere Strukturen und Regeln der katholischen Kirche könnten ein „hohes Anziehungspotential für Personen mit einer unreifen homosexuellen Neigung haben“.

Weil die Kirche homosexuelle Beziehungen oder Praktiken offiziell ablehne, bestehe die Gefahr, dass entsprechende Neigungen versteckt gelebt werden müssten: „Bei entsprechender Disposition eines Priesteramtskandidaten oder Priesters könnte ein komplexes Zusammenspiel von sexueller Unreife, abgewehrten oder verleugneten homosexuellen Neigungen in einer ambivalenten, teilweise auch offen homophoben Umgebung im Falle ungünstiger Risikokonstellationen die Schranke zu sexuellen Handlungen mit männlichen Kindern und Jugendlichen herabsetzen“. Dies böte, so die Wissenschaftler, eine weitere Erklärung für das Überwiegen männlicher Betroffener beim sexuellen Missbrauch durch Geistliche.

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