Synodaler Weg will zusätzlichen Text über homosexuelle Priester

Synodalversammlung will Zölibat öffnen - und ihn stärken

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Der zweite Tag der dritten Synodalversammlung, die noch bis Samstag in Frankfurt tagt, stand deutlich im Zeichen der priesterlichen Lebensform. Am Vormittag ging es vor allem um den Zölibat, über den in Erster Lesung beraten wurde. Dass der Titel des vorgestellten „Handlungstextes“ dabei geändert wurde, war dabei weit mehr als eine Frage kleinteiliger Formulierungs-Erbsenzählerei.

„Die zölibatäre Lebensform ist der brisanteste Punkt.“ Bischof Felix Genn machte kein Hehl daraus, welche Bedeutung die Diskussion über das Priestersein heute in der Kirche und konkret bei der Synodalversammlung in Frankfurt hat. Als bei der vorangegangenen Zusammenkunft im Herbst 2021 über das Grundlagenpapier dazu gesprochen wurde, hatten einige Medien die Debatte darüber überspitzt, der Synodale Weg hätte grundsätzlich die Frage gestellt, ob die katholische Kirche Priester brauche. Davon konnte trotz des so ausgelösten Trubels damals keine Rede sein. Umso mehr war bei der Debatte am Freitagmorgen das Bemühen zu spüren, es nicht erneut zu einer solchen Unklarheit kommen zu lassen.

Stephan Buttgereit aus Haltern, der mit Genn das Forum II über die priesterliche Existenz leitet, kündigte dann auch an, dass es eine überarbeitete Fassung jenes Grundtextes geben soll. Weil aber die Zeit seit der letzten Versammlung zu knapp bemessen gewesen sei, soll er erst bei der nächsten Synodalversammlung vorgestellt werden.

Änderungen, Empfehlungen, Aussprache

Jetzt aber sollte es in Erster Lesung um den ersten sogenannten Handlungstext zum Zölibat gehen, beziehungsweise – etwas verquast in der Sprache des Synodalen Wegs formuliert – um das „Versprechen der Ehelosigkeit im Dienst des Priesters“. Alle Synodalen - von denen knapp die Hälfte Bischöfe oder Priester sind - konnten den Text zuvor studieren und Änderungsanträge einbringen. 204 Mal wurde davon Gebrauch gemacht, eine eigene Kommission – wie immer im Prozess des Synodalen Wegs – hat sie gesichtet und geordnet und machte nun Empfehlungen, wie mit den Anträgen umzugehen sei. Im konkreten Fall stellte Schwester Katharina Kluitmann aus Münster die Erkenntnisse dieser Kommission vor.

Davor aber stand die Aussprache, meist die spannendsten Phasen der Synodalversammlungen. Wie üblich gibt es Rednerlisten, auf die sich jeder Synodale per Knopfdruck setzen kann. Und dann geht es der Reihe nach, diesmal mit maximal je zwei Minuten Redezeit. 

Hingabe rund um die Uhr. Oder nicht?

Peter Neher etwa, Priester und bis vor wenigen Wochen deutscher Caritaspräsident, wies darauf hin, dass es ja längst schon heute verheiratete katholische Priester gebe – nämlich jene, die zuvor evangelische Pastoren mit Ehefrau waren. Dorothea Schmidt von der konservativen Initiative „Maria 1.0“ betonte, der Zölibat bedeute Hingabe, und evangelische Pastoren zeigten, dass ihre Aufgabe oft nicht mit den Anforderungen ihrer Familien zusammengingen, sodass viele ihrer Ehen geschieden würden. Zum Dienst des Priesters gehöre es aber, rund um die Uhr „für seine Schäfchen da zu sein“.

Dem widersprach Konstantin Bischoff, Pastoralreferent im Erzbistum München-Freising energisch – und „in Solidarität mit meinen priesterlichen Kollegen“. Er warnte vor einer „Überidealisierung des Priesters“. Von einer Rund-um-die-Uhr-Tätigkeit dürfe keine Rede sein. Unterstützung erhielt er für diese Position von Theo Wieder vom Katholikenrat Speyer, der zudem von einer persönlichen Erfahrung berichtete: „Ich habe in zehn Jahren fünf Kapläne erlebt, die trotz hervorragender Seelsorgetätigkeit ihr Priestersein aufgegeben haben, weil sie in Partnerschaften leben wollten.“ Und er mahnte: „Wir führen Menschen in Verzweiflung und Depression.“

„Institutionelle Scheinheiligkeit“

Eine „institutionelle Scheinheiligkeit“ beklagte Claudia Lücking-Michel, bis 2021 Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. „Wir alle wissen um viele Zölibatsverletzungen. Doch wenn sich ein Priester entscheidet, zu heiraten und zu Kindern zu stehen, verliert er sein Amt.“

So sehr manche wie Theo Wieder oder der BDKJ-Bundesvorsitzende Gregor Podschun schlichtweg die „Abschaffung des Pflichtzölibats“ forderten – insgesamt dominierte die Frage, wie das Priestertum in der gewandelten gesellschaftlichen Situation und angesichts der personellen Möglichkeiten als überzeugende Lebensform wahrgenommen werden kann. 

Heße: Priester sind mehr als „Zelebratoren“

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße beispielsweise sagte klipp und klar: „Unser Erzbistum hat zurzeit keinen einzigen Seminaristen. Ich weiß nicht, wie Eucharistiefeiern im flächenmäßig größten Bistum Deutschlands Zukunft haben sollen.“ Zugleich warnte er davor, sich an der Praxis der Ostkirche zu orientieren, in der Priester heiraten können, während Bischöfe aus den zölibatär lebenden Mönchsgemeinschaften kommen. „Ich habe das als ein Popentum verstanden, in dem Priester kaum mehr sind als 'Zelebratoren'.“

Ähnliche Erfahrungen in seinem Bistum Essen kennt Bischof Franz-Josef Overbeck. Er wies darauf hin, dass es bald keine jungen Priester mehr geben werde. Er fragte nach den kulturellen Hintergründen, vor denen „Priestertum als Ganzes gelebt wird“. Über die Frage von Zölibat und sonntäglicher Eucharistie hinaus stelle sich die Frage, was diese geänderten Kontexte für das Kirchesein und ihr Verständnis von Priestertum bedeuten.

Söding: Verheiratete Priester sind kein Notbehelf

Der Münsteraner Theologe Thomas Söding, Vize-Präsident des Synodalen Wegs, machte noch einmal klar: "Wir brauchen Priester in der katholischen Kirche, und wir brauchen eine Öffnung des Amtes". Dafür sprächen schon die "katastrophal niedrigen Zahlen der Priesteramtskandidaten. Söding betonte aber zugleich: "Auch verheiratete Priester wären kein Notbehelf, sondern ein Charisma für die Kirche."

Gewandelte gesellschaftliche Situationen thematisierte ebenso der Priester und emeritierte Philosophie-Professor Eberhard Tiefensee: „Welche Zeichenhaftigkeit hat die zölibatäre Lebensform noch in einer Gesellschaft mit einem hohen Anteil von Singles?“ 

Podschun: Es gibt mehr als Ehe oder Ehelosigkeit

Gregor Podschun wies zudem darauf hin, dass dem Zölibat nicht nur die Ehe zwischen Mann und Frau gegenüber stünden. „Es gibt durchaus noch andere Lebensformen, die gar nicht im Blick sind.“ Nur wenige Tage nach der Aktion „OutInChurch“, bei der sich 125 kirchliche Mitarbeitende – darunter auch Priester und Ordensleute – zu ihrem Queer-Sein bekannt hatten, forderte Podschun auch eine Auseinandersetzung mit Homosexualität und Priester-Sein. Bis heute gilt lehramtlich, dass Menschen mit „tiefsitzenden homosexuellen Neigungen“ keine Priester werden können.

Neuer Text zu homosexuellen Priestern gefordert

Wie sehr die Erfahrungen der letzten Wochen – zwischen Münchner Missbrauchs-Gutachten und „OutInChurch“ – die Debatte in Frankfurt auch bei der Diskussion über den Zölibat prägten, zeigte sich in den Abstimmungen über die Änderungsanträge.

So stimmten 90 Prozent der Synodalen dafür, im Grundtext klarer nicht nur das Zueinander von Ehelosigkeit und Ehe herauszuarbeiten, sondern auch zu anderen Lebensformen. 80 Prozent stimmten dem Antrag zu, einen eigenen, zusätzlichen Handlungstext über homosexuelle Priester zu erstellen.

Zölibat – Bestärkung und Öffnung

Ganz grundsätzlich: Die klare Positionierung – auch eine nochmalige Klärung nach den Irritationen aus der letzten Synodalversammlung – spiegelte sich in der Änderung des Titels des besprochenen Handlungstextes. Von einer grundsätzlichen Ablehnung oder Abschaffung des Zölibats kann demnach keine Rede sein. Der neue Titel formuliert vielmehr ein Bekenntnis und eine Weiterentwicklung: „Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung.“ 90 Prozent der Synodalen haben dem zugestimmt.

Der nächste Tagesordnungspunkt, der sich ebenfalls mit einem Aspekt priesterlicher Existenz, nämlich mit der „Persönlichkeitsbildung und Professionalisierung“ beschäftigen sollte, wurde aus Zeitmangel verschoben. Stattdessen unterbrachen die Synodalen ihre Debatten – und feierten gemeinsam Eucharistie.

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