Werkstätten verwerten Holz wieder

Glücksfall für Karthaus: Aus Kirchenbänken werden „Schutzengel to go“

Säubern und abmontieren – und schon ist aus den Kirchenbänken hochwertiges Material für die Produktion geworden. | Video: Michael Bönte

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In den Werkstätten für Menschen mit Behinderung Haus Karthaus bei Dülmen entstehen derzeit außergewöhnliche Holz-Engel. Denn das Material hat eine besondere Kirchengeschichte.

Upcycling der besonderen Art: Kirchenbänke zu Schutzengeln. Die Sitzgelegenheiten, die von der St.-Michael-Gemeinde in Münster-Gievenbeck im Zuge der Umgestaltung ihrer Inneneinrichtung aussortiert worden waren, haben einen außergewöhnlichen Weg gefunden. Das wertvolle Eichenholz aus ihrer Kirche wird derzeit in den Werkstätten Karthaus bei Dülmen wiederverwertet. Ein Glücksfall für beide Seiten: Die Pfarrgemeinde muss die 70 Bänke nicht mehr einlagern, die Einrichtung für Menschen mit Behinderung bekommt hochwertiges, geschliffenes und vorbehandeltes Holz für die Herstellung ihrer verschiedenen Produkte wie Haushaltsgegenstände oder Geschenkartikel.

„Wir waren von der Idee sofort begeistert“, sagt der Bereichsleiter der Werkstätten, Peter Zündorf. „Und haben uns gefreut, als die Zusammenarbeit problemlos klappte.“ Eine Mitarbeiterin hatte den Kontakt zur Pfarrgemeinde hergestellt, als sie von der Einlagerung gehört hatte. Wenig später schon rollte der Lastwagen mit den Bänken auf den Karthaus-Hof. „Wir mussten nur noch abladen, das Holz reinigen und die Sitz- und Lehnflächen abmontieren.“ Kostenpunkt: Null Euro – für bereits handlich zugesägte Bretter höchster Qualität. „Sie waren perfekt, wir mussten sie vor der Produktion nicht weiter aufbereiten.“

Keine denkmalpflegerischen Bedenken

Abgesprochen werden musste das alles aber noch mit der Kunstpflege im Bistum Münster, in deren Magazin die Bänke auf eine weitere Verwendung warteten. Denn es handelte sich ja noch um Möbel, die ihren Platz lange in einem Raum gehabt hatten. Aus „denkmalpflegerischer und kunsthistorischer Sicht“ gab es von deren Seite aber keine Bedenken. Wichtig war zudem, dass das Mobiliar tatsächlich komplett ausrangiert worden und für einen späteren Gebrauch in einer Kirche nicht mehr vorgesehen war. Der Weg nach Karthaus war damit frei.

Dass es sich nicht um irgendein, sondern um Holz mit einer Kirchengeschichte handelte, wurde bei den ersten Arbeitsschritten aber deutlich. Neben den obligatorischen Kaugummi-Resten auf den Unterseiten der Sitzflächen fanden die Mitarbeiter auch alte Dokumente. Wie etwa ein Pfarrbrief aus dem Jahr 1975. „Darin wird unter anderem zu Spenden für Vietnam-Flüchtlinge gebeten.“ Für Zündorf ein Blick tief in die Welt- und Gemeindegeschichte: „Für mich ist so ein 50 Jahre altes Papier ein historisches Dokument.“

Tausende Schutzengel

Es versteht sich, dass aus einem solchen Holz nicht irgendetwas gefertigt wird. Neben Tabletts, Untersetzern oder Flaschenöffnern sind es vor allem kleine Engel, die ausgesägt werden. „Ein wenig tragen wir dem Hintergrund des Materials damit Rechnung“, sagt Zündorf. Es werden „Schutzengel to go“ produziert, also kleine Figuren, die auch in Hosen- oder Jackentaschen passen, um von dort aus Sicherheit und Ruhe vermitteln zu können. Mehrere Tausend werden es am Ende sein – mit Maserung und Lackierung aus alten Kirchenbank-Zeiten.

Und so hauchen die Mitarbeiter im Haus Karthaus dem Holz derzeit ein „zweites Leben“ ein. Eine computergesteuerte Maschine übernimmt den exakten Zuschnitt der Engel. Mit einer Stanze wird ein Magnet eingebracht, an dem die Flügel aus Metall geheftet werden. Dann geht es in die Verpackungsabteilung der Werkstätten, wo der kleine Himmelsbote in Holzwolle gebettet den Weg in die Geschenkverpackung findet.

Geschichte des Holzes verliert sich nicht

„Ein besonderes Gefühl“ ist das, sagt Petra Schlömer, die an einer Werkbank die Engel versandfertig macht. „Kirchenbänke kriegt man ja nicht alle Tage in die Hände.“ Die Geschichte des Holzes ist auch bis zu diesem Arbeitsschritt nicht verloren gegangen. „Es ist schön, alt und fühlt sich gut an.“ Auf den kleinen Boxen steht am Ende „Karthäuser Schutzengel“. Einen besseren Weg hätten die Eichenbänke aus der St.-Michael-Kirche wohl kaum nehmen können.

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