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Die erste Hälfte der Weltbischofssynode ist vorbei. Laut offiziellen Verlautbarungen laufe es im Vatikan „störungsfrei“ und ohne große Forderungen. Das ist viel zu wenig, erklärt Joachim Frank, DuMont-Chefkorrespondent, in seinem Gast-Kommentar.
Wäre der Papst ein Exerzitienmeister und die Weltsynode ein Rom ein vierwöchiger Besinnungskurs, dann hätte Franziskus alles richtig gemacht. Wie man hört, vermeiden die Versammelten „oberflächliche Konfrontationen und gehen stattdessen in die Tiefe“. Der Dialog sei „störungsfrei“. Forderungen würden nicht erhoben. Als Halbzeitbilanz hält der vatikanische Kommunikationsdirektor Paolo Ruffini eine „außerordentliche Übung von Gemeinschaft in Unterschiedlichkeit“ fest.
Man kann den gut 350 Frauen und Männern dazu nur gratulieren. Sorgsam aufeinander hören, geschwisterlich miteinander umgehen – das tut jeder Kommunikation gut. Und war es nicht von jeher der Wunsch des Papstes, dass die Synode ein geistliches Ereignis werden solle? Allerdings erinnert der Lobpreis der Atmosphäre und des Umgangstons schwer an die klassische Beschwichtigungsformel zum Ende ergebnisloser Beratungen: „Gut, dass wir drüber geredet haben.“ Eine Synode als Selbsterfahrungsgruppe im Stuhlkreis, das ist zu wenig. Viel zu wenig.
Vor den Gläubigen verantworten
Der Autor
Joachim Frank ist DuMont-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Frank ist Träger des „Stern-Preises“ 2023.
Ruhe ist nicht erste Katholikenpflicht, und für das Wirken des Heiligen Geistes dürfte Windstille die wohl unpassendste aller meteorologischen Metaphern sein. Konflikte um den richtigen Weg der Kirche werden auch nicht dadurch gelöst, dass man sie wegspiritualisiert oder – wegsperrt. Das Schlimmste, was der Synode passieren könne, so wird behauptet, seien parlamentarische Debatten und „journalistische Kontroversen“.
Deshalb hat der Papst die Öffentlichkeit ausgeschlossen und alle Synodalen zur „Enthaltsamkeit des Wortes“ verpflichtet. Dabei fällt ein urbiblisches Prinzip glatt unter den Tisch: die „parrhesia“, das freimütige Eintreten für die eigene Überzeugung. Die Synodenväter und -mütter repräsentieren in der Versammlung das Volk Gottes. Für das, was sie dort beizutragen haben, sollten sie sich auch vor den Gläubigen verantworten (können).
Reformen sind dringend notwendig
Bei genauem Hinhören dämpfen die Synodenlenker, wo immer sie können, schon jetzt die Erwartungen an konkrete Beschlüsse zu strittigen Fragen wie der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern, einer Reform der katholischen Sexualmoral oder der ständischen Kirchenverfassung. Da wird dann vor „voreiligen Antworten“ gewarnt und so getan, als hätte die Kirche alle Zeit der Welt.
Doch das ist ein fataler Irrtum – oder besser gesagt: eine vorsätzliche Irreführung. Die Themen, die angeblich unbedingt einer weiteren Vertiefung bedürfen, sind seit Jahren und Jahrzehnten von Grund auf theologisch durchdacht. Sie ein ums andere Mal für nicht spruchreif zu erklären, ist nichts anderes als der Versuch, den Status quo zu zementieren und sich vor dringend notwendigen Reformen zu drücken.
In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.