Chefredakteur Markus Nolte über eine Entscheidung, die das Gegenteil bewirkt

Päpstlicher Pressebann zur Weltsynode: Spiritualisierung statt Transparenz

Anzeige

Der Papst schließt die Presse aus, wenn die Weltsynode in drei Wochen in Rom beginnt. Das passe nicht zum geistlichen Charakter des Treffens, sagt Franziskus. Doch was ist daran geistlich, wenn Synodalität keine Transparenz duldet, fragt Chefredakteur Markus Nolte in seinem Kommentar - nicht nur zum katholischen Mediensonntag am 10. September.

Wenn es in der katholischen Kirche um die Wahrheit geht, kümmert sie sich authentisch erstens selber und nennt das zweitens verkünden. Die Wahrheit zu verkünden, ist zudem ein kirchliches und damit geistliches Geschehen.

Über die Wahrheit etwa dem Volk Gottes frei zu berichten, hat hingegen offenbar keine geistliche Qualität. Wenn es um die Wahrheit über die katholische Kirche geht, sieht die Sache nochmals komplizierter aus.

Das lässt sich dieser Tage ganz trefflich an Papst Franziskus ablesen. Einerseits sagt er: „Wir brauchen uns nicht davor zu fürchten, die Wahrheit zu verkünden, auch wenn sie manchmal unbequem ist.“ So schreibt er aktuell in seiner Botschaft zum katholischen Mediensonntag, der hierzulande - bezeichnenderweise wenig beachtet - übermorgen, am 10. September, begangen wird.

Pressebann in der Pressekonferenz

Ein paar Tage zuvor war Franziskus andererseits deutlich anzumerken, dass ihm eine freie Bericht­erstattung über die Wahrheit in der katholischen Kirche dann doch eine Spur zu unbequem ist. Konkret im Fall der in drei Wochen beginnenden Weltsynode im Vatikan, bei deren Plenarsitzungen die Presse konklavegleich ausgeschlossen ist.

Schließlich gehe es um ein religiöses Ereignis, einen geistlichen Prozess, erklärte Franziskus – geradezu realsatirisch vor Journalistinnen und Journalisten während einer seiner legendären fliegenden Pressekonferenzen, diesmal auf dem Rückweg aus der Mongolei. Das Land liegt übrigens 67 Plätze hinter Deutschland auf der Rangliste der Pressefreiheit, der Vatikanstaat ist erst gar nicht gelistet.

In der Troposphäre zehn Kilometer über Normalnull gibt sich der Pontifex beinahe schwerelos offen, liefert bereitwillig dieses oder jenes mal wolkige, mal himmelklare Zitat, scherzt in schwebender Leichtigkeit oder lässt teilhaben an horizontweitenden Hintergründigkeiten wie gleichermaßen gewittrigem Apokalypsegewölk. Auch "down to earth" führt dieser Papst exklusive Interviews in Zahl wie kein zweiter. So ganz scheinen sich also Medien und Geistliches auch für ihn nicht auszuschließen.

Ungeistliches beim Synodalen Weg

Und doch zeigt sich im päpstlichen Pressebann einmal mehr die Grundphobie kirchlicher Verantwortungsträger vor Kontroll-, also Machtverlust, ebenso vor der Vernuft- und Geistbegabtheit der restlichen Christenmenschen. Exakt dies war auch bei den Skeptikern und Gegnern des Synodalen Wegs in Deutschland zu erleben: Eine geistliche Qualität wird dann etwa gegen demokratische Standards ausgespielt.

Wo gleichberechtigt und frei diskutiert wird, kann das dann nicht synodal sein, weil es zu wenig geistlich ist. Wo Reformen aus Mitleiden mit den kirchlich Verwundeten gefordert werden, wird dann ein Missbrauch des Missbrauchs unterstellt. Was an solchem Gebaren geistlich sein soll, erschließt sich nicht. Der Synodale Weg als Ganzer war es zweifelsohne.

Das Volk Gottes muss draußen bleiben

Gewiss, es braucht mitunter den Raum der Diskretion. Doch in einem hierarchischen System wie der Kirche wird Synodalität erst dann umso glaubwürdiger und geistvoller, je mehr sie mit selbstbewusstem Mut zu größtmöglicher Transparenz einherginge.

Autoritäre Überspiritualisierung aber bewirkt das glatte Gegenteil. Sie versagt geradezu den zweifellos geistlichen Prozessen einer Weltsynode oder eines Synodalen Wegs ihr geistliches Potenzial. Nämlich jenes, dem ganzen Volk Gottes die Chance zu eröffnen, als Zeuginnen und Zeugen Beteiligte dieser kirchlichen Selbstartikulation zu sein. Vermittels der Medien, selbstredend. Und fördert darüber hinaus womöglich ungewollt die Demokratie-, Menschenrechte- und Presseskepsis rechtsextremer Strömungen in der Kirche, in der westlichen Welt, bedrohlich zunehmend global.

Eine ganz neue Wahrheit

Nicht nur, dass die Presse ohnehin auf eigenem Kodex basierend der Wahrheit verpflichtet ist – jener mitunter unbequemen Wahrheit freilich, die gerade keine ausgewählte oder genehmigte namens „Prawda“ ist, wie Bischof Felix Genn einmal in der Redaktion von „Kirche+Leben“ über die Aufgabe konfessioneller Presse betonte.

Dass der Heilige Geist überdies erst hinter verschlossenen Türen so richtig wirken könnte, wäre vor allem eins: eine ganz neue Wahrheit.

Anzeige