Jüdisches Grabsteinfragment von 1313/1314 übersteht Schändungen

Jüdisches Leben in Westfalen: Museum zeigt Sensationsfund in Münster

  • Eine Sensation war vor einigen Jahren der archäologische Fund eines jüdischen Grabsteinfragments. Der Fund stammt aus dem Jahr 1313/1314 und ist damit der älteste jüdische Grabstein Westfalens.
  • Das Stadtmuseum Münster zeigt den aufbereiteten Grabstein bis zum 15. August 2021.
  • Das Relikt wird der Jüdischen Gemeinde Münster als Dauerleihgabe überlassen und soll in der Synagoge aufgestellt werden.

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Wenn man in Deutschland alte Zeugnisse jüdischen Lebens entdeckt, spricht man von einem Sensationsfund. Hinterlassenschaften aus dem Mittelalter sind extrem selten, und auch deshalb stellt der Fund eines jüdischen Grabsteinfragments 2016 in Münster eine Einzigartigkeit dar.

Durch Zufall entdeckten Stadtarchäologen bei Ausgrabungen in Münsters Altstadt, dem so genannten Kuhviertel, ein Fragment eines jüdischen Grabsteins. Das Denkmal ist auf das Jahr 1313/1314 datiert und löst einen Grabstein von 1324 als ältesten in Westfalen ab.

 

Gestorben im Jahr 5074 des jüdischen Kalenders

 

Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Webseite des Stadtmuseums Münster.

Die hebräische Inschrift des Fundes gibt Auskunft darüber, dass der oder die Verstorbene im Jahr 74 der Zählung des sechsten Jahrtausends bestattet wurde, also im Jahr 5074 des jüdischen Kalenders. Das Jahr dauerte vom 22. September 1313 bis zum 12. September 1314.

Im Rahmen des diesjährigen Festjahres „1700 Jüdisches Leben in Deutschland“ zeigt das Stadtmuseum Münster bis Mitte August den nun ältesten jüdischen Grabstein Westfalens und in der Dauerausstellung zur Stadtgeschichte ebenso einen Abguss des Grabsteins von 1324 mit Erklärungen zur Geschichte des jüdischen Friedhofs und der jüdischen Gemeinde.

 

Antijudaismus in Zeiten der Pest

 

Vor 1700 Jahren erließ Kaiser Konstantin ein Edikt, wonach Juden in Ämter der Stadtverwaltung Köln berufen werden konnten. Dieses Dekret aus dem Jahr 321 gilt als der älteste Beleg für die Existenz jüdischer Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Deutschland. Das Edikt Konstantins, das in einer Abschrift in der Bibliothek des Vatikans aufbewahrt wird, ist das früheste schriftliche Zeugnis über jüdisches Leben in Mitteleuropa.

Dass die nun gefundenen Fragmente so einzigartig sind, verdeutlicht die leidvolle Geschichte jüdischen Lebens im Mittelalter, von der nur wenige Spuren erhalten geblieben sind. Mitte des 14. Jahrhunderts, also um 1350, setzten in vielen Städten Pest-Pogrome ein. Der so genannte „Schwarze Tod“ entlud sich in einem Antijudaismus. Juden warf man vor, Brunnen vergiftet zu haben.

 

Grabsteine dienten als Baumaterial

 

1887 fand man das Relikt des bisherigen ältesten jüdischen Grabsteins aus Westfalen in den Gemäuern der Lamberti-Kirche in Münster. Datiert ist der Grabstein auf das Jahr 1324. Ein Abguss des Grabsteins ist in der Schausammlung des Stadtmuseums Münster zu sehen. | Foto: Johannes Bernard
1887 fand man das Relikt des bisherigen ältesten jüdischen Grabsteins aus Westfalen in den Gemäuern der Lamberti-Kirche in Münster. Datiert ist der Grabstein auf das Jahr 1324. Ein Abguss des Grabsteins ist in der Schausammlung des Stadtmuseums Münster zu sehen. | Foto: Johannes Bernard

Es kam zu Verfolgungen, in vielen Fällen auch zur Auslöschung jüdischer Gemeinden. Auch die Juden in Münster wurden vertrieben, die Synagoge wurde geschlossen, der Friedhof zerstört und die Grabsteine als wertvolles Baumaterial zweckentfremdet. Die Existenz eines mittelalterlichen jüdischen Friedhofs geriet nach und nach in Vergessenheit.

Nach Informationen des Stadtmuseums gehen die Historiker davon aus, dass das neu gefundene Grabsteinfragment nach 1350 in der Aegidii-Kirche verbaut worden ist. Als die Aegidii-Kirche 1821 einstürzte, wurden Steine für den Bau einer Bruchsteinmauer im Kuhviertel verwendet. Bei Ausgrabungen an der Jüdefelder Straße entdeckten dann Stadtarchäologen 2016 den Grabstein.

 

Ausstellung in Synagoge

 

Das Fragment von 1324 fand man 1887 in den Gemäuern der Lamberti-Kirche. Wiederentdeckt wurde er um 1950 am Zwinger an der Promenade in Münster. Aufbewahrt wird er heute in der Synagoge der Stadt.

Nach Beendigung der Ausstellung soll das nun älteste Grabsteinfragment der Jüdischen Gemeinde von der Stadtarchäologie Münster als Dauerleihgabe überlassen werden. Künftig wird es ebenfalls in der Synagoge ausgestellt.

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