Ahauser Pfarrer über sein neues Buch „Von der Magie zur Mystik. Der Weg zur Freiheit im Glauben“

Jürgens: Die meisten Christen glauben an einen Gott, den es nicht gibt

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Mit pointierten Positionen zum Synodalen Weg oder zum Umgang der Kirche mit Macht, als Gast-Kommentator bei "Kirche-und-Leben.de" wie als Buch-Autor hat er sich längst einen Namen gemacht: Stefan Jürgens, Pfarrer in Ahaus und Alstätte-Ottenstein (Kreis Borken). In der kommenden Woche erscheint sein neues Buch „Von der Magie zur Mystik. Der Weg zur Freiheit im Glauben“. Warum es ihm gerade jetzt wichtig ist, erklärt Jürgens in unserem Interview.

Herr Jürgens, worum geht es in Ihrem neuen Buch? 

Glauben ist kein Zustand, sondern ein Weg. Jede Christin und jeder Christ hat die Aufgabe, im Glauben zu wachsen und zu reifen. Diese Entwicklung geht von einer naiv-magischen Religiosität zum aufgeklärt-mystischen Glauben. 

Wo nehmen Sie Magie wahr statt Glaube? 

Ich habe Menschen erlebt, getaufte Christinnen und Christen, die im Glauben nicht reifen konnten, die zeitlebens in religiösen Kinderschuhen steckten und deshalb an magischen, meistens angstbesetzten Vorstellungen hingen. Sie haben niemals die befreiende Kraft des Evangeliums kennengelernt. 

Warum ärgert Sie das? 

Buch-Tipp
Buch-CoverStefan Jürgens: "Von der Magie zur Mystik. Der Weg zur Freiheit im Glauben." Patmos-Verlag, 176 Seiten, Hardcover, 19 Euro. 
Dieses Buch hier direkt und bequem bei unserem Partner Dialogversand bestellen. Das Buch soll in der kommenden Woche erscheinen.

In 28 Jahren seelsorglicher Praxis habe ich gemerkt, dass die Religiosität vieler Menschen von Magie und Angst geprägt ist. Es gibt wenig Entwicklung, dafür aber viel Tradition. Ich behaupte, stets die frohe Botschaft, das Evangelium, gepredigt zu haben; dennoch entdecke ich bei vielen Menschen ein Bestehen auf der alten Angst, ein Beharren in kindlich-naiven Vorstellungen von der Bibel, den Sakramenten und der Kirche. Ein Großteil der Christen, so scheint mir, glaubt an einen Gott, den es gar nicht gibt, nämlich an das mit der jeweils herrschenden (weltlichen und kirchlichen) Macht verwechselbare und von der Religionskritik längst als Projektion entlarvte Über-Ich, das kontrolliert und beschützt, belohnt und bestraft, verflucht und segnet. Das ist wohl der Grund, warum mittlerweile viele Christen ihren Glauben mitsamt ihrer ambivalenten Kirchenerfahrung loswerden wollen, warum sie ihn einfach vergessen oder bewusst verdrängen. Wer glaubt an den Vater Jesu Christi, der herausfordert zu entschiedener Nachfolge und leidenschaftlicher Liebe?

Was ist Mystik? 

Magie ist die Vorstellung, dass alles mit allem zusammenhängt. Das macht Angst. Mystik ist demgegenüber die Pflege einer persönlichen Gottesbeziehung. Sie bewirkt Vertrauen und Freiheit. 

Warum braucht es mehr davon?

Die Magie hat es leicht, denn jeder Mensch ist von Natur aus religiös. Der Glaube aber hat es schwer, denn er braucht, um wachsen und reifen zu können, nicht nur fromme Gefühle, sondern intellektuelle Anstrengung; nicht nur das Mitmachen von Ritualen, sondern deren kritische Reflexion; psychologisch gesprochen: nicht nur Regression, sondern vor allem Individuation. Magisch empfinden faktisch alle Menschen, mystisch sind sie erst dann, wenn sie sich um eine verbindliche, aufgeklärte und handlungsbereite Spiritualität bemühen. Gerade im Ringen um einen reifenden Glauben werfen Menschen jeden Leistungsgedanken über Bord und können sich von Gott beschenken lassen wie ein Kind. Ihr Glaube wird von selbst zur Nachfolge Christi, sie können gar nicht mehr anders, als auf seine Liebe und Hingabe zu antworten.

Warum dieses Buch jetzt? 

Es ist seit jeher eines meiner Lebens- und Glaubensthemen. In Vorträgen und Exerzitien bin ich immer wieder darauf eingegangen. Der Patmos-Verlag hat mich darum gebeten, daraus ein Buch zu machen. 

Wird der Kirchenrebell jetzt fromm? 

Ich bin kein Kirchenrebell, sondern ein Christ, für den Jesus Christus und sein Evangelium das Beste ist, was Gott und Welt zu bieten haben. Wenn sich die Kirche allerdings weiter so hartnäckig gegen Reformen wehrt, steht sie dem Evangelium im Weg. Fromm bin ich übrigens auch, wenn auch ausgesprochen nüchtern, auf keinen Fall jedoch frömmelnd. Gute Freunde sagen mir, ich sei andersfromm. Das gefällt mir gut.

Wer sollte Ihr Buch lesen – und warum?

Christinnen und Christen, die sich im Glauben weiter entwickeln möchten. Dafür ist es nie zu spät. Ich bin davon überzeugt: Gott will keine infantilen Angsthasen, die nur perfekt gehorchen, sondern erwachsene Töchter und Söhne, die sich entwickeln zu mehr Freiheit und Verantwortung, herausgefordert zu Hingabe und Liebe.

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