Gast-Kommentar von Stefan Jürgens über die Wichtigkeit des Synodalen Wegs

Kirche hat kein Thema mehr

Nicht erst seit der Corona-Krise steht die Frage im Raum, welche Bedeutung die Kirche noch in der Gesellschaft hat. Stefan Jürgens, Pfarrer und Buch-Autor, stellt eine eher ernüchterne Diagnose. Das Ende ist das für ihn nicht. Noch nicht.

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Nicht erst seit der Corona-Krise steht die Frage im Raum, welche Bedeutung die Kirche noch in der Gesellschaft hat. Stefan Jürgens, Pfarrer und Buch-Autor, stellt eine eher ernüchterte Diagnose. Das Ende ist das für ihn nicht. Aber damit die Kirche nicht zur Sekte verkommt, braucht es Entschiedenheit. Wo er eine Chance dazu sieht, sagt er in seinem Gast-Kommentar.

Stefan Jürgens ist Pfarrer in Ahaus. Bekannt geworden ist er auch als Buch-Autor, vor allem durch sein jüngstes Buch "Ausgeheuchelt".

Die Kirche leidet an einem eklatanten Relevanzverlust, so ist immer wieder zu hören. Viele fragen: Wozu ist Kirche überhaupt noch da? Tatsächlich sind nicht nur der Institution die Themen ausgegangen, dem Vatikan und den Diözesen, sondern auch den Gemeinden vor Ort. Hatte man dort noch vor Jahren am Thema Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gearbeitet, so begnügt man sich derzeit damit, die Versorgung mit Gottesdiensten sicherzustellen und die Feier von biografischen Anlässen – Taufe, Erstkommunion, Firmung, Trauung, Beerdigung – irgendwie über die Bühne zu kriegen. Mehr ist oft nicht drin.

Themen zu finden, ist schwer geworden. Wie will eine Kirche für Demokratie eintreten, die selbst monarchisch und klerikal aufgestellt ist? Wie kann sie für Gleichberechtigung sorgen, solange sie die Hälfte ihrer Mitglieder diskriminiert? Wie will sie nach all den Übeltätern in ihren eigenen Reihen noch moralisch ernst genommen werden? Wie kann sie es wagen, um Priesterberufungen zu beten, solange sie ihre Tradition mit dem Willen Gottes gleichsetzt?

 

Absichtserklärungen kriegen wir prima hin

 

Die Menschenrechte wären ein Thema, aber diese wurden zunächst von der Kirche für Teufelszeug gehalten und erst im Zweiten Vatikanischen Konzil gewürdigt. Umwelt- und Klimaschutz wären ein Thema, aber solange sich der Lebensstil von Christen nicht erkennbar unterscheidet, wird Papst Franziskus mit „Laudato si“ wohl allein bleiben auf weiter Flur. Absichtserklärungen kriegen wir prima hin, in der Realität aber ist außer Spesen nichts gewesen. Nur beim Thema Selbstbeschäftigung sind wir einsame Spitze.

Kirche ist und hat kein Thema mehr, weil sie ihre eigenen Hausaufgaben nicht gemacht und dadurch an Relevanz weitgehend verloren hat. Solange sie das Einmaleins der modernen Gesellschaft nicht kennt, wird man ihr auch geistlich misstrauen.

Deshalb ist der Synodale Weg so wichtig. Liebe Teilnehmende, geht bitte ans Eingemachte, damit wir uns wieder glaubwürdig einsetzen können für ein politisches Christentum mitten in der Welt. Geht die hausgemachten Probleme an, damit man in der Kirche wieder nach Gott fragen mag. Lasst euch nicht einschüchtern von jenen dauerbeleidigten Macht- und Rechthabern, die sich wie kleine Sonnenkönige aufführen nach dem Motto „L'Eglise c'est moi“. Wenn der Synodale Weg scheitert, geht die Kirche gesellschaftlich ins Ghetto, sie wird zur Sekte. Fürchtet euch nicht (Lk 2,10), seid mutig und stark (Dtn 31,6), und werft eure Zuversicht nicht weg (Hebr 10,35)!

Hinweis
Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.

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