Gast-Kommentar von Daniel Gewand über Glaubwürdigkeit und Improvisation

Die Kirche gehört an die frische Luft - nicht nur wegen Corona

Daniel Gewand fordert in seinem Gast-Kommentar, dass die Kirche ihr Leben weiter nach draußen verlagern muss - nicht nur wegen Virologen-Empfehlungen in der Corona-Krise.

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Not macht erfinderisch: Die Corona-Krise hat auch der Kirche einiges an Improvisationstalent und Kreativität abverlangt. Gut so, meint Daniel Gewand, Pastoralreferent in Coesfeld. In seinem Gast-Kommentar sagt er, warum manches davon trotz Lockerungen so weitergehen sollte.

Daniel Gewand, Pastoralreferent und Verantwortlicher für das Projekt frei.raum.coesfeld für junge Erwachsene, Autor und Sprecher bei Kirche in 1LIVE, Journalistenausbildung, Jahreshospitation beim WDR Hörfunk

„Das Leben nach draußen verlagern“ so empfehlen es die Virologen. Das Infektionsrisiko ist dort geringer, Abstandsregeln sind oft einfacher einzuhalten, und außerdem ist gerade meistens tolles Sommerwetter. Vieles findet deswegen vermehrt draußen statt: Freunde treffen, Konzerte und Familienfeiern, sogar Kunstausstellungen und Schulstunden.

Auch Kirche folgt der Virologen-Empfehlung und verlagert ihr Leben nach draußen - zumindest das liturgische. Nachdem zu Beginn des Corona-Lockdowns Gottesdienste massenweise gestreamt wurden, finden sie nun in vielen Pfarreien draußen statt – in Autokinos und Pfarrgärten, auf Freilichtbühnen und Marktplätzen.

 

Unperfekter und lebendiger

 

Ich finde das gut: Kirche geht an die frische Luft. Nach Wochen zuhause, ohne Gottesdienste und Gemeinschaftsaktionen sind sie endlich wieder möglich und Gemeinschaft - trotz Abstandsregeln - erfahrbar.

Draußen-Gottesdienste sind in den meisten Gemeinden etwas besonders. Gefeiert werden sie sonst nur an Fronleichnam, im Zeltlager oder beim Schützenfest. Und weil sie nicht regelmäßig stattfinden, sind sie immer ein bisschen improvisiert – auch bei guter Vorbereitung.

Die Gegebenheiten sind draußen anders als im Kirchraum. Die Umgebung und deren Geräusche, das Wetter und Passanten beeinflussen den Gottesdienst und erfordern Kreativität, Spontanität und Improvisationstalent von den Verantwortlichen. Und das macht den Gottesdienst im positivem Sinn unperfekter, lebendiger und glaubwürdiger.

 

Genau das wünsche ich mir von Kirche.

 

Kirche ist nämlich mehr als nur ein wöchentlicher Draußen-Gottesdienst. Kirche muss draußen stattfinden. Lebendiger. Im Alltag. Kirche muss Gesellschaft mitgestalten. Glaubwürdig. In Schulen, Krankenhäusern, Gefängnissen, auf Campingplätzen und in sozialen Brennpunkten. Kirche muss da sein und mit anpacken. Auch unperfekt.

Kirche darf sich nicht nach innen zurückziehen und sich nur mit sich selbst beschäftigen. Kirche muss ihr Leben weiter nach draußen verlagern. Und das mit viel Kreativität, Spontanität und Improvisationstalent. Die Draußen-Gottesdienste sind ein guter Anfang.

Und wer in der Kirche nicht auf Virologen-Empfehlung hören möchte, die erinnere ich gerne an Papst Johannes XXIII., der mit dem Konzil die Fenster der Kirche öffnete, um frische Luft reinzulassen. Gehen wir in diesem Sinn konsequent weiter und bleiben draußen an der frischen Luft, auch wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist.

Hinweis
Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.

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