Gast-Kommentar von Pfarrer Stefan Jürgens zu Klerikalismus unter Laien

Austritte „wegen Woelki“ sind Zeichen kindlicher Abhängigkeit

Anzeige

Es gebe eine Reihe von Katholiken, die ihren Glauben konkret mit dem Leitungspersonal verknüpfen. Doch ist es nicht fast egal, wer aktuell Papst, Bischof oder der Pfarrer vor Ort ist, wenn es um den eigenen Glauben geht? Diese Frage beantwortet Pfarrer Stefan Jürgens in seinem Gast-Kommentar mit "Ja" und verabschiedet sich vom Hierarchie-Denken in der Kirche.

Viele katholische Christinnen und Christen leiden an chronischer Unterwürfigkeit. Sie wurden in eine monarchisch verfasste Kirche hineingetauft und werden diese Prägung zeitlebens nicht mehr los.

Steht eine Papstwahl an, so sagen sie: „Hoffentlich kriegen wir einen guten Papst, einen menschenfreundlichen und aufgeschlossenen.“ Wird ein neuer Bischof ernannt, so hoffen sie, „dass man einigermaßen normal mit ihm reden kann“, so als sei das schon etwas Besonderes. Selbst der neue Pfarrer darf „nicht so zugeknöpft“ daherkommen, er soll vielmehr „nahe bei den Menschen“ sein.

Das ist einerseits verständlich, denn man möchte sich über die Leitungspersonen mit dem Ganzen identifizieren. Andererseits hat das klerikale Kirchenmodell keine Zukunft. Denn wer sich zeitlebens von Autoritäten her definiert, bleibt kindlich, und wer sich unentwegt an ihnen abarbeitet, kommt geistig über die Pubertät nicht hinaus. Infantile Chris­tinnen und Christen brauchen Überväter, pubertierende suchen Sündenböcke für alles, was ihnen nicht passt, nur erwachsene haben Geschwister.

 

Überschätzte Pfarrer

 

Der Autor
Stefan Jürgens ist Autor zahlreicher Bücher sowie Pfarrer in St. Mariä Himmelfahrt Ahaus und Alstätte-Ottenstein.

Welche Bedeutung hat denn der Papst für den Glauben, also für die ganz persönliche Beziehung zu Gott? Keine! Und was kann ein Bischof allein wirklich verändern? Nichts! Was aber passieren kann, wenn man die Bedeutung eines Pfarrers hoffnungslos überschätzt, hat man unlängst in Münsters Aaseestadt mitverfolgen können.

Ich selbst werde häufig danach gefragt, was ich vom Papst halte, wie ich zu Woelki stehe und warum meiner Meinung nach Marx so früh das Handtuch werfen wollte. Viel häufiger jedenfalls, als dass ich auf meine Erfahrungen mit Gott und meine Beziehung zu Jesus Christus angesprochen werde.

 

Forderung nach synodaler Kirche

 

Es gibt sogar Menschen, die treten wegen Woelki aus der Kirche aus, was ist das für eine infantile Abhängigkeit! Ein Mensch kann doch nur so viel Macht über mich haben, wie ich ihm gebe, er kann nur so wichtig sein, wie ich ihn wichtig nehme.

Wir sollten deshalb aufhören, die Zukunft der Kirche vom Wohlwollen der Hierarchie abhängig zu machen oder auf einigermaßen akzeptable Amtsträger zu hoffen. Denn die sind genauso überfordert und ratlos wie wir alle. Nur eine synodale und geschwisterliche Kirche kann erwachsen werden.

Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von "Kirche-und-Leben.de" wider.

Anzeige