Autoren weisen Kritik von Juristen an Missbrauchsstudie zurück

Kanzlei Gercke: Vorwürfe gegen Köln-Gutachten "schlicht falsch"

  • Die Kanzlei Gercke-Wollschläger wehrt sich gegen Vorwürfe, ihr juristisches Gutachten zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln weise "schwere Mängel" auf.
  • Die Aussage, die Gutachter hätten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Geschäftsherrenhaftung nicht oder nur selektiv berücksichtigt, sei "schlicht falsch".
  • Entsprechende Vorwürfe erheben drei Juristen, darunter ein Strafrechtsprofessor.

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Die Kanzlei Gercke-Wollschläger wehrt sich gegen Vorwürfe, ihr juristisches Gutachten zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln weise "schwere Mängel" auf. Die Aussage, die Gutachter hätten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Geschäftsherrenhaftung nicht oder nur selektiv berücksichtigt, sei "schlicht falsch", teilte die Kanzlei mit: "Kein ernst zu nehmender Jurist hat unser Gutachten deshalb in dieser Hinsicht bis heute kritisiert."

Vielmehr sehe etwa der emeritierte Münchner Strafrechtsprofessor Heinz Schöch im strafrechtlichen Teil des Gercke-Reports "durchweg richtige Ergebnisse". Die rechtliche Prüfung von Pflichtverletzungen entspreche "allen wissenschaftlichen Anforderungen".

 

Was kritisiert wird

 

In der aktuellen "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" bemängeln der Mainzer Strafrechtsprofessor Jörg Scheinfeld, seine Wissenschaftliche Mitarbeiterin Sarah Gade und der Essener Rechtsanwalt Christian Roßmüller den weltlich-strafrechtlichen Teil des Gercke-Reports. Sie beziehen sich dabei vor allem auf die sogenannte Geschäftsherrenhaftung.

Diese besage, dass Manager haften müssten, wenn sie von Straftaten ihrer Mitarbeitenden erfahren und nicht dagegen vorgehen. Komme es danach erneut zu Taten, machten sich die Vorgesetzten wegen Beihilfe durch Unterlassen strafbar. Dieser Grundsatz müsste auch für Bischöfe in der katholischen Kirche gelten und hätte daher von Gercke stärker beachtet werden müssen.

 

Gercke: Wir haben mehr Pflichtverletzungen benannt

 

Als besser gelungen bewerten die drei Juristen Aspekte einer ersten Untersuchung durch die Münchner Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl (WSW). In Teilen des zweiten Gutachtens des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke sehen Scheinfeld, Gade und Roßmüller "viele Merkmale eines Gefälligkeitsgutachtens".

Die Kanzlei Gercke hält diesen Vorwurf für "geradezu absurd". Ihre Untersuchung habe weitaus mehr Pflichtverletzungen und Verantwortliche benannt als WSW.

"Mit dem WSW-Gutachten wäre eine Vielzahl von Pflichtverletzungen und Verantwortlichen niemals aufgedeckt worden", so Gercke: "Die Entscheidung diverser prominenter Würdenträger, die infolge des Gutachtens ihren Amtsverzicht angeboten haben, spricht für sich." Zudem habe sich WSW mit der Thematik der strafrechtlichen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch wissenschaftlich "überhaupt nicht" auseinandergesetzt.

 

Die beiden Gutachten

 

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte ein erstes Gutachten bei WSW in Auftrag gegeben. Weil er es für mangelhaft und nicht rechtssicher befand, ließ Woelki die Öffentlichkeit das Papier nur kurzzeitig und eingeschränkt einsehen. Die Untersuchung wirft sechs Amtsträgern namentlich Fehler vor - der Kardinal ist nicht darunter.

Das zweite Gutachten von Gercke wurde im März veröffentlicht. Es weist acht hohen Amtsträgern des Erzbistums Kölns mindestens 75 Pflichtverletzungen nach. In der Folge boten der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp - beide frühere Generalvikare in Köln - Papst Franziskus ihren Rücktritt an.

Woelki wird durch den Report juristisch entlastet. Kritiker sehen jedoch weiterhin moralische Fehler des Erzbischofs im früheren Umgang mit Missbrauchsfällen.

 

Hintergrund zu einem der Kritiker

 

Nach Veröffentlichung ihrer Untersuchung sei der Kanzlei Gercke sogar immer wieder vorgeworfen worden, zu hart mit den Verantwortungsträgern des Erzbistums ins Gericht gegangen zu sein, erklärten die Kölner Strafrechtler: "Nun meinen plötzlich Angehörige eines Instituts für Weltanschauungsrecht, dass wir angeblich nicht streng genug gewesen seien. Dies kann man sehen, wie man will. Mit steilen Thesen profiliert man sich bekanntlich am besten."

"Christ & Welt"- Gastautor Scheinfeld hat an der Universität Mainz den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Medizinstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie inne. Er sitzt zudem im Beirat des Instituts für Weltanschauungsrecht in Oberwesel. Dieses ist stark säkular und kirchenkritisch geprägt.

Update 14.45 Uhr: Weitere Details im gesamten Text, Gegenargumente Gercke, Hintergrund zu den Autoren der Kritik

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