Seliger ruht im Xantener Dom

Karl Leisner starb vor 75 Jahren – im KZ zum Priester geweiht

Karl Leisner war der einzige Priester, der je im Konzentrationslager geweiht wurde. Diese Weihe Ende 1944 überlebte der Schwerkranke nur um wenige Monate. Am 12. August 1945 starb er. Eine Erinnerung.

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Es ist der 12. August 1945. Kurz vor fünf Uhr morgens wird der schwerkranke Karl Leisner unruhig. Der bei ihm am Bett im Sanatorium Planegg bei München wachende Priester betet die Sterbegebete und reicht ihm das Kreuz. Sein Gegenüber versteht, betet mit und reicht die Hände zum Abschied. Bald wird der Atem kurz und schwach.

Auch die Mutter und die drei Schwestern sind dabei und „begleiten seine Seele über die Schwelle des anderen Lebens, wo er die Herrlichkeit Christi schauen soll, die er in seinem kurzen und doch so starken Leben so geliebt“. Mit diesen Worten hält der Jesuit Otto Pies die letzten Minuten des 30-jährigen Leisner fest. Als sein geistlicher Begleiter stand er ihm im Konzentrationslager Dachau zur Seite.

 

Die einzige Priesterweihe im KZ

 

1940 war Leisner wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ inhaftiert worden. Pies sorgte mit dafür, dass der junge Diakon am 17. Dezember 1944 die Priesterweihe empfangen konnte. Es war die einzige Priesterweihe, die je in einem KZ der Nationalsozialisten stattfand.

Die Geistlichen im Priesterblock kannten den Insassen mit der Nummer 22356 gut. Vor allem wussten sie um seine instabile Gesundheit. Als er wieder einmal sehr kränkelte, kommentierte dies ein Insasse mit den Worten, jetzt müsse nur bald ein Bischof eingesperrt werden, damit Karl noch zu seiner Weihe komme. Dies geschah dann in Person des Bischofs von Clermont, Gabriel Piguet.

 

„Sieger in Fesseln“

 

Heimlich wurden in den Lagerwerkstätten Bischofsgewänder und eine Mitra angefertigt. Ein Russe schmiedete in der Schlosserei einen Bischofsring. Ein Benediktiner schnitzte aus Holz einen Hirtenstab mit der Inschrift „Victor in Vinculis“ („Sieger in Fesseln“). Mit Hilfe einer Ordensschwester gelang es, die benötigten Dokumente herbeizuschaffen, die Weiheerlaubnis von Leisners Heimatbischof Clemens August Graf von Galen und die Zustimmung des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber.

Am 26. Dezember konnte sogar noch die Primiz stattfinden, bei der Pies für den Freund die Predigt hielt. Leisners evangelische Stubenkameraden überraschten im Anschluss mit einer Festtafel, für die sie die Sachen im Lager geliehen und erbettelt hatten: vom Porzellan bis zu Kaffee und Kuchen.

 

Den Nazis missfiel Leisners Jugendarbeit

 

Bei seiner Einweisung nach Dachau im Dezember 1940 war Leisner 25 Jahre alt. Die Gestapo hatte ihn ein Jahr zuvor in St. Blasien im Schwarzwald, wo er sich zur Kur aufhielt, in Schutzhaft genommen. Ein Mitpatient hatte ihn denunziert, wegen einer Bemerkung zum missglückten Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler am 8. November 1939. Den Nazis war der Rheinländer aber schon länger ein Dorn im Auge. Ihnen missfiel seine Jugendarbeit.

Im KZ Dachau lag Leisner die meiste Zeit auf der Krankenstation, weil seine Lungenkrankheit wieder ausgebrochen war. Für Weihe und Primiz wurde er von dort heimlich geholt. Anfang 1945 schrieb er ins Tagebuch, dass er nur noch 60 Kilogramm wiege und sich sehr schwach fühle. Der Tod hatte bereits angeklopft. Umso härter traf es ihn da, dass sein Freund Pies das Lager im März verlassen durfte.

 

Im Sanatorium nur noch Linderung

 

Der aber setzte alles daran, ihn nach der Befreiung durch die US-Armee möglichst schnell aus der Quarantäne zu holen. Das gelang am 4. Mai. Leisner kam ins Lungensanatorium und notierte nach seiner freundlichen Aufnahme: „Der Heiland bei uns“ und „Allein in einem eigenen Zimmer, welche Seligkeit“.

Der Oberarzt erinnerte sich an einen Patienten mit sonnigem Gemüt. Selbst in den elendesten Situationen sei er fähig gewesen, seine Umgebung positiv zu beeinflussen. Doch die Lungen- und Rippenfellerkrankung, zu der im KZ noch eine Darmtuberkulose gekommen war, konnte nur gelindert, nicht geheilt werden.

 

Seligsprechung 1996

 

Nach seinem Tod fügte es sich, dass ein ebenfalls aus Dachau befreiter Pfarrer den Leichnam innerhalb eines Trecks ungehindert durch die besetzten Zonen nach Wuppertal befördern konnte. Von dort holte ihn ein Leichenwagen am 18. August 1945 in seine Heimatstadt Kleve. Papst Johannes Paul II. sprach den Märtyrer 1996 selig. Seine letzte Ruhe fand er im Dom zu Xanten.

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