Preisträger hält Plädoyer für Menschenrechte

Karlspreis: Rabbiner Goldschmidt ruft zum Kampf gegen Judenhass auf

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Pinchas Goldschmidt, der Vorsitzenden der Europäischen Rabbinerkonferenz, ist mit dem Internationalen Karlspreis geehrt worden. Seine Dankrede nutzt er für ein flammendes Plädoyer für die Menschenrechte.

Der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), Pinchas Goldschmidt (60), hat als neuer Karlspreisträger zum entschiedenen Kampf für Demokratie und Menschenrechte sowie gegen Judenhass aufgerufen. Der Karlspreis für ihn und für alle jüdischen Gemeinschaften sei „eine Ermutigung in einer herausfordernden Zeit“, sagte er am Donnerstag bei seiner Dankrede in Aachen.

Der Karlspreis sei eine Auszeichnung, die verpflichte, mahnte der Rabbiner. In der Begründung für die Preisverleihung heiße es, man wolle das Signal setzen, dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehöre und dort kein Platz für Antisemitismus sein dürfe: „Das klingt märchenhaft. Leider ist das Gegenteil der Fall. Jüdisches Leben ist eben nicht selbstverständlich, und in Europa ist viel Platz für Antisemitismus.“

Jüdische Menschen leben in Europa in Angst

Judenhass sei nie tot gewesen: „Aber seit dem islamistischen Pogrom in Israel am 7. Oktober 2023 ist er in einer Art und Weise entfacht, die die Sicherheit und Freiheit jüdischen Lebens – gerade auch in Europa – ernsthaft bedroht.“ Und was dagegen getan werde, reiche bei weitem nicht: „Jüdisches Leben, von der Kita bis zum Seniorenheim, kann nur unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Judenhass tobt sich auf den Straßen aus, bei Demonstrationen, auf denen offen zum Mord an Juden aufgerufen wird.“

Auch an den Universitäten gebe es „hochgebildete Antisemiten, die den jüdischen Kommilitonen die Luft zum Atmen nehmen“. Jüdische Menschen trauten sich nicht, als jüdisch erkennbar zu sein. Sie lebten in Angst und bangten um ihre Zukunft – für sich, ihre Kinder und Enkel: „Dem müssen Sie, meine Damen und Herren, etwas entgegensetzen. Die jüdische Gemeinschaft kann es nicht und es ist auch nicht ihre Aufgabe. Es ist die Aufgabe ihrer Heimatländer und Heimatgesellschaften sich gegen die Feinde der europäischen Werte zu erwehren.“

Radikale einig im Judenhass

Antisemitismus müsse in all seinen Formen erkannt, benannt und bekämpft werden. Dazu gehöre die uralte rassistische rechtsradikale Gestalt, aber der Judenhass komme auch als „Antizionismus“ und „Israelkritik“ vor und sickere in Disziplinen wie Postcolonial Studies ein.

Am Ende einigten sich die Radikalen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, den Judenhass, kritisierte Goldschmidt weiter: „Oder eben: den Hass auf Israel – paradoxerweise die einzige Demokratie im Nahen Osten, die an vorderster Front für die westlichen Werte kämpft.“

Kritik an Israel und Forderungen an die Hamas

Auch er habe Probleme mit der heutigen israelischen Regierung, fügte er hinzu – und „auch mich lassen die Bilder aus dem Gazastreifen nicht kalt, wie könnten sie“? Aber es sei doch offensichtlich: „Die Hamas hat den Krieg begonnen. Und sie könnte ihn sofort beenden. Indem sie die Geiseln freilässt, die Waffen streckt und ihrem eigenen Volk ein echtes Leben ermöglicht.“

Antisemitismus sei nicht zuerst das Problem der Juden, sondern das Problem der Gesellschaften, in denen er herrsche: „Er ist ein Seismograf für ihren Zustand. Extremismus von rechts und links und insbesondere der radikale politische Islam – die Pervertierung einer Religion – gefährden nicht nur das jüdische Europa. Sie bedrohen die Sicherheit, die Freiheit, ja die Zukunft ganz Europas.“

Alle freiheitsliebenden Demokratinnen und Demokraten müssten endlich wehrhaft werden – nach außen und nach innen, forderte Goldschmidt zum Schluss: „Wann, frage ich Sie, soll ‚nie wieder‘ sein, wenn nicht jetzt?“

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