Interview zum Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar

Kinderhospize leisten wichtige Hilfe nicht nur am Ende

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Sterbenskranke Kinder – ein schwieriges Thema. Gerade deshalb sei es wichtig, darüber zu reden, wie ihnen und ihren Familien geholfen werden kann, sagt die Leiterin des Kinderhospizes „Joshuas Engelreich“ in Wilhelmshaven. Auch, damit die Gesellschaft versteht, wie wichtig Kinderhospize sind.

Frau Ecke, warum sind eigentlich besondere Hospize für Kinder so wichtig?

Weil sie eine andere Aufgabe haben als Hospize für Erwachsene. Nicht erst in der allerletzten Lebensphase, sondern bereits mit der Diagnose einer lebensverkürzenden Krankheit können Familien für bis zu 28 Tage im Jahr zu uns kommen und Kraft für den Alltag zu Hause tanken. Wir und auch die anderen stationären Kinderhospize versuchen also, Eltern und Geschwister in ihrer schwierigen Situation wenigstens phasenweise zu entlasten.

Woran spüren Sie, dass „Tod und Sterben von jungen Menschen“ ein Tabu ist?

Der Abschiedsraum des Kinder- und Jugendhospizes. | Foto: Kinder- und Jugendhospiz Joshuas Engelreich
Der Abschiedsraum des Kinder- und Jugendhospizes. | Foto: Kinder- und Jugendhospiz Joshuas Engelreich

Es ist natürlich keine Selbstverständlichkeit, dass ein Kind vor seinen Eltern stirbt. Und solche Erfahrungen sorgen im Umfeld oft für eine Unfähigkeit, darüber zu sprechen. Auch, wenn immer mehr Menschen wissen, dass es Häuser wie uns gibt, erleben wir es dennoch immer wieder, dass Familien anrufen und erstaunt sagen: Ich wusste all die Jahre gar nicht, dass so ein Angebot existiert. Deshalb ist auch der Tag der Kinderhospizarbeit so wichtig.

Wie funktioniert eigentlich die Finanzierung eines Kinderhospizes?

Die Kranken- und Pflegekassen übernehmen 95 Prozent der Behandlung, aber eben nur die Kosten für das erkrankte Kind selbst, nicht für den Aufenthalt der Familien. Etwa die Hälfte der Gesamtkosten des Hauses muss also über Spenden finanziert werden. Das sind 600.000 bis 800.000 Euro im Jahr. Deshalb sind auch Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising so wichtig.

Und wie wichtig sind für Sie Ehrenamtliche? Was können die leisten?

Ehrenamtliche sind für unsere Arbeit ein großes Geschenk. Wir haben hier an die hundert Menschen, die wir selbst ausgebildet haben und die in vielen verschiedenen Bereichen tätig sind: in der Geschwisterbetreuung, in der Öffentlichkeitsarbeit, vom Garten bis zum Grillmeister. Sie schenken uns ihre Zeit. Ohne sie würde das Ganze nicht funktionieren.

Welche besonderen Eigenschaften müssen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitbringen?

Seit dem vergangenen Jahr leitet Sandra Ecke das Kinder- und Jugendhospiz in Wilhelmshaven | Foto: Kinder- und Jugendhospiz Joshuas Engelreich
Seit 2021 leitet Sandra Ecke das Kinder- und Jugendhospiz in Wilhelmshaven | Foto: Kinder- und Jugendhospiz Joshuas Engelreich

Neben fachlicher Qualifikation muss man auf jeden Fall sehr empathisch sein und sich auch mal zurückstellen können. Die Eltern tragen 365 Tage im Jahr ihren Rucksack und sind vielleicht drei oder vier Wochen bei uns. Da muss man sich sehr gut auf die Familien und ihre Bedürfnisse einstellen, weil sie und ihre Bedürfnisse hier im Mittelpunkt stehen.

Was ist Ihre größte Herausforderung im Moment?

Corona! Zum Glück haben wir dadurch noch keine größeren personellen Engpässe. Aber es gibt halt durch Corona viel mehr zu beachten. Etwa, wenn es um die Belegungszahl und Abstandsregelung geht. Außerdem vermissen wir alle unsere Feste und Veranstaltungen in unserem Haus.

Was würden Sie sich von der Öffentlichkeit am meisten wünschen?

Solidarität! Dass es von der Öffentlichkeit so gesehen wird, dass auch die schwer erkrankten Kinder zur Gemeinschaft dazugehören und dass wir sie als Gesellschaft unterstützen müssen. Wenn das allgemein verstanden wird, dann kann für die betroffenen Familien auch etwas getan werden.

Peter Kossen ist Botschafter von „Joshuas Engelreich“
Der Deutsche Kinderhospizverein geht davon aus, dass in Deutschland 50.000 Kinder mit einer Diagnose leben, die besagt, dass sie frühzeitig sterben werden. Das Kinder- und Jugendhospiz Joshuas Engelreich wurde 2014 als Einrichtung der Diakonie von der gemeinnützigen Trägergesellschaft „mission:lebenshaus“ eröffnet. Das Haus bietet Platz für acht schwerstkranke Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Zusätzlich stehen acht Appartements für Familien, Zugehörige und Freunde zur Verfügung. Für Geschwisterkinder im schulpflichtigen Alter bietet das Hospiz in Kooperation mit Schulen Schulunterricht an. So können Familien auch unabhängig von den Ferienzeiten nach Wilhelmshaven kommen. Den Kindern und ihren Familien entstehen für den Aufenthalt keine Kosten. Zu den Botschaftern des Hospizes gehören Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich, Ex-Fußballnationalspieler Per Mertesacker oder Schauspieler Lutz Herkenrath.

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