Heikle Debatten, positive Stimmung in Nürnberg

Kirchentag beendet - Neuanfang mit 70.000 Teilnehmenden gelingt

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Die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland geht zurück. Aber der Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg zeigt: Mit den Christen ist zu rechnen. Sie tragen in schwierigen Zeiten Hoffnung in die Gesellschaft.

Da waren sie wieder! Die Menschen mit ihren – diesmal grün-gelben – Schals und der guten Laune. Nach 44 Jahren fand in Nürnberg erneut ein Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT) statt. Nach den Corona-Jahren war die Sehnsucht groß, sich endlich wieder real begegnen zu können. Unter dem Leitwort „Jetzt ist die Zeit“ bot der 38. DEKT dafür bei weitgehend schönstem Sommerwetter und rund 2.000 Veranstaltungen eine gute Gelegenheit.

Und die Menschen nutzten sie. Mit insgesamt 70.000 Besucherinnen und Besuchern, die ein Ticket kauften, reichte das Christentreffen zwar nicht an die Marke von Dortmund mit 120.000 im Jahr 2019 heran, dennoch zeigte sich Kirchentagspräsident Thomas de Maizière am Ende sehr zufrieden. „Wir sind wieder da, wir sind glücklich.“ Die Stimmung sei gelöst gewesen, die Herzen offen und der Verstand klar.

Raum für heikle Debatten auf dem Kirchentag

Das Schild „Kirche überfüllt“ sah man häufig an den Türen. Das galt für spirituelle Angebote ebenso wie für das Kulturprogramm und natürlich die Podien. Schwerpunkte hier waren Klimakrise, Demokratie und Friedensethik. Das Thema Missbrauch wurde eher im kleinen Rahmen behandelt. Veranstaltungen dazu zogen auch nicht viele Interessierte an. Da scheint sich die evangelische Kirche noch schwer zu tun und sieht die ganze Problematik wohl lieber bei den Katholiken.

Anders als in aggressiven TV-Talkshows schaffte es der Kirchentag aber ansonsten, einen guten Rahmen für heikle Debatten zu schaffen. „Man geht hier anders miteinander um als im harten politischen Geschäft“, so de Maizière. Die Frankenhalle auf dem Messegelände mit ihren 5.000 Plätzen war voll, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ruhig und sachlich erklärte, warum Deutschland unter anderem mit Waffen der Ukraine hilft.

Habeck trifft auf Klimaaktivistin

Als ein glühender Pazifist laut „Verhandeln“ schrie, griff er den Einwand auf: „Verhandeln ist okay. Die Frage ist, wer verhandelt mit wem und worüber?“ Die Ukraine zu zwingen, den Raubzug des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sanktionieren und zu akzeptieren, sei nicht vernünftig. Zugleich kündigte Scholz an, in Kürze wieder mit Putin sprechen zu wollen. Klar müsse aber bei all diesen Gesprächen sein, dass Russland erst seine Truppen zurückzuziehen habe, um einen fairen Frieden zwischen beiden Seiten zu verhandeln.

Hoch her ging es auch, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit der Klimaaktivistin Clara Hinrichs zusammentraf. Beide waren sich durchaus einig, dass es nicht hilfreich sei, nach einem Schuldigen zu suchen, der verbockt habe, rechtzeitig auf die seit Jahren angekündigte Katastrophe zu reagieren. Vielmehr gelte es jetzt endlich zu handeln.

Scholz und Habeck setzen auf grüne Energie

Habeck machte Mut, dass Deutschland den Umstieg auf grüne Energie immer noch schaffen könne. Gleiche Signale gab es von Joe Kaeser, dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Siemens Energy. Deutschland sei gefordert, mit seinen Ingenieuren anderen Nationen zu zeigen, wie dies mit Windrädern, Photovoltaikanlagen und weiteren Techniken gehen könne. Scholz argumentierte ähnlich und versprach: „Wir kriegen das hin.“

Optimistisch zeigte sich auch der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing. „Wir können Situationen drehen und beeinflussen.“ Wissenschaftlern in Deutschland sei es gelungen, gegen Corona sehr schnell einen Impfstoff zu finden. Das spreche für Mut und Leistungsfähigkeit. Diesen Geist gelte es weiter zu verfolgen. Dass Institutionen und Politik Fehler machten, aus denen sie zu lernen hätten, wurde nicht verschwiegen. „Wir haben Credo und Kredit bei vielen Menschen verspielt“, bekannte der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel.

Söder: „Ohne Vergebung gibt es keine Zukunft“

„Ohne Vergebung gibt es keine Zukunft“, erinnerte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Diese sei ein Grundprinzip des menschlichen Lebens, weil eben niemand perfekt sei. Er setze auf die Kirchen und wolle sie aus dem öffentlichen Leben nicht verbannt wissen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ermutigte die Christen, sich einzumischen. „Ob es darum geht, wie wir unser Land erneuern oder wie eine gerechte Gesellschaft der Zukunft aussieht, in der Menschen mit sehr verschiedenen Religionen, Herkünften, Überzeugungen zusammenleben: Wir brauchen eure Impulse, eure Ideen, eure Überzeugungen, die im Glauben ihr Fundament haben.“

„Sommermärchen 2023 des Glaubens“

Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hatte sich gewünscht, dass von dem Kirchentag Hoffnung für die Gesellschaft ausgehen und dieser zur Krafttankstelle werden möge. Diese Wirkung sei eingetreten. Begeistert griff er die Worte des Nürnberger Oberbürgermeisters Marcus König (CSU) auf. Der Katholik sprach von einem „Sommermärchen 2023 des Glaubens“ mit Gänsehautmomenten. Dem müsse nichts mehr hinzugefügt werden.

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