„Fastenpredigt“ im St.-Paulus-Dom in Münster

Kohl über Kardinal von Galen, das Christentum und Europa

Eine „Fastenpredigt“ hat Altkanzler Helmut Kohl am 60. Todestag des seligen Kardinals Clemens August Graf von Galen, am 22. März 2006, im Dom in Münster gehalten. Er würdigte den münsterschen Bischof - und sprach über das Christentum in Europa.

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„Ein Ja zur Zukunft – in Gottes Namen!“ Das war eine von vielen markanten Aussagen in der „Fastenpredigt“ von Helmut Kohl im St.-Paulus-Dom in Münster am Mittwoch, 22. März 2006. Der Altbundeskanzler, der im voll besetzten Dom mit Applaus empfangen wurde, sprach am 60. Todestag Kardinal von Galens zum Thema „Werte im Haus Europa“. Im Anschluss besuchte er das Grab des im vergangenen Jahr in Rom selig Gesprochenen.

Kohl würdigte Galen als Symbolfigur des Widerstandes im Dritten Reich. Er habe die Menschen gegen die Ideologie des nationalsozialistischen Regimes mobilisiert. Die „eigentliche persönliche Botschaft“, die er dabei gesetzt habe, sah Kohl im verantwortungsvollen Handeln des Kardinals: „Er wusste um die Bedeutung seines Gewissens und handelte in Verantwortung vor Gott und den Menschen.“ Eine Position, die auch in die heutige Zeit tief einwirken könne.

 

Christentum als einigende Religion Europas

 

Denn die christliche Verantwortung sei auch ein wesentlicher Ausgangspunkt des Zusammenwachsens Europas gewesen. Das Christentum als einigende Religion Europas über die Staatsgrenzen hinaus habe als zentrales Wertegerüst gedient: „Die europäische Idee entwickelte sich aus den christlichen Wurzeln.“ In der heutigen Zeit, die von Beliebigkeit und Individualisierung geprägt sei, sei es umso wichtiger, sich an diese Wurzeln zu erinnern. „Wir müssen das Wertesystem stützen, das dem Menschen Halt gibt.“ Kohl nannte eine Reihe von aktuellen Fragen, in denen die Suche nach einer solchen Wertebasis deutlich werde, etwa die Gentechnik, die demografische Entwicklung oder der Umweltschutz.

In seiner Rede zeichnete er die Entwicklung der Europäischen Union in jenen Zügen nach, die entscheidend dafür gewesen seien, dass nicht nur ein gemeinsames politisches und wirtschaftliches System entstanden sei, sondern vor allem eine „Wertegemeinschaft“, die Freiheit und Frieden sichere. „Wenn mich jemand fragt, was wir von diesem Europa in erster Linie haben, sage ich immer: Nie wieder Krieg!“

 

Paulus-Dom als „Beispiel der Beständigkeit“

 

Im Europa der heutigen Zeit hätten die Christen keinen Grund, „sich mit ihrem Glauben zu verstecken“, so Kohl: „Das Christentum hat nichts von seiner Wahrheit und Sinn gebenden Kraft verloren!“ Er nannte den St.-Paulus-Dom als gutes Beispiel der Beständigkeit, die der christliche Glaube durch die Jahrhunderte gehabt habe. Eine religiöse Basis, für die es sich auch im heutigen Europa einzusetzen gelte: „Ich sehe die Verbindung weiterhin ungebrochen.“

Seine Aufforderung am Ende seiner Ansprache galt dann vor allem den jungen Menschen in Europa, die den Ausgangspunkt und die Entwicklung der Europäischen Union vielleicht nicht mehr nachvollziehen könnten. Es gelte aber, weiterhin für die Wertebasis einzutreten, welche diese Entwicklung ermöglich habe, „ganz einfach, jeden Tag in unserem Leben“.

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