Nach zweijähriger Restaurierung wieder in Betrieb

Neuer Frühling für Kevelaers Riesenorgel

Imposant und weltberühmt: Die deutsch-romantische Orgel in der Marienbasilika in Kevelaer. | Video: Michael Bönte

Anzeige

Nach zwei Jahren erklingt sie endlich wieder: Die weltberühmte deutsch-romantische Orgel in der Marienbasilika in Kevelaer wurde komplett restauriert. Eine aufwendige Geschichte mit vielen Emotionen.

Es sind nur noch einige Hundert. Aber Marco Ellmer geht nicht in den Endspurt über. Auch die letzten der fast 9.000 Pfeifen der Orgel in der Marienbasilika in Kevelaer genießen seine volle Ruhe und Aufmerksamkeit. Rot-weiße Flatterbänder in den Kirchenschiffen sorgen dafür, dass er die notwendige Atmosphäre hat. Die Besucher werden aufgefordert, sich leise zu verhalten. Das Gehör des Orgelbauers braucht jetzt Stille. Der Ton jeder Pfeife wird aufs Genauste geprüft.

Für das normale Ohr sind die Töne zum Teil schwer erträglich. Dem grellen Fiepen folgt dunkles Grollen – unterbrochen von kaum wahrnehmbaren Schlägen gegen die Stimmvorrichtungen. „Ich mach’ das komplett über mein Gehör“, sagt Ellmer. „Es gibt zwar auch Geräte, die das aussteuern könnten, aber für mich klingt das Ergebnis dann zu steril.“ Und so sitzt er in den letzten Tagen der zweijährigen Restaurierungszeit auf den schmalen Gängen hinter dem Orgelprospekt und lauscht den isolierten Klängen der größten deutsch-romantischen Orgel der Welt. Eine filigrane Aufgabe in einer prachtvollen Kulisse.

Dringend notwendige Restaurierung

Es sind die abschließenden Arbeitsschritte einer Mammut-Aufgabe. Die Orgel wurde komplett ausgeräumt. Die Einzelteile wanderten in die Werkstatt oder wurden auf dem Orgelboden gelagert. Nicht nur die Pfeifen standen dann im Fokus der Handwerker, sondern auch die Elektronik und alle Verschleißteile. Es war die umfangreichste, weil die erste komplette Restaurierung seit der Fertigstellung der Orgel im Jahr 1907 durch Orgelbauer Ernst Seifert. Und sie war dringend notwendig: Über die Jahrzehnte war immer wieder ausgebessert und teilerneuert worden. Jetzt sollte endlich wieder alles genau aufeinander abgestimmt werden.

Für Basilika-Organist Elmer Lehnen erfüllt sich damit in diesen Tagen ein Traum, sagt er. „Als ich vor 24 Jahren hier anfing, wünschte ich mir, die Orgel mal wieder so zu hören, wie sie direkt nach ihrem Bau geklungen hat.“ Als die Arbeiten vor zwei Jahren begannen, habe er aber vor allem eins gehabt, gibt er zu: „Angst.“ Er stand in dem leeren Instrument und hatte nur einen Gedanken: „Das kriegen die nie wieder zusammengesetzt.“

Einzelne Register „blühten wieder auf“

Haben sie doch. Nach und nach wanderten die überarbeiteten Register wieder hinter die großen sichtbaren Pfeifen. „Peu à peu konnte ich sie wieder spielen“, sagt Lehnen. „Das war für mich wie im Frühling – erst eine Knospe, dann noch eine, dann eine wunderbare Blüte…“ Und jetzt steht der „ganze, tolle Baum“ wieder zum Orgelspiel zu Verfügung. Bald kann der Organist seinen derzeitigen kleinen Spieltisch im Kirschenschiff gegen den neuen auf der Orgelbühne eintauschen.

Das Projekt benötigte viele Unterstützer. Finanziell natürlich: Der hohe sechsstellige Betrag, der von den Verantwortlichen noch nicht genau beziffert werden kann, wurde aus Fördermitteln des Bundes und des Lands NRW mitgetragen. Auch der Orgelbauverein in Kevelaer konnte durch viele Aktionen Spender gewinnen. „Am schönsten war es zu spüren, wie alle die Arbeiten mittrugen“, sagt Lehnen. „Ich hatte immer das Gefühl, ganz Kevelaer stand dahinter – in den zwei Jahren habe ich keine einzige negative Stimme über den Zweck oder die Gelder gehört.“

Weltberühmt und geliebt

Die Basilika-Orgel wird geliebt, weiß Lehnen. „Sie ist nicht nur weltberühmt, sondern lebt auch in den Herzen der Menschen hier.“ Das kann Orgelbauer Marco Ellmer unterstreichen. Die zwei Jahre in „inniger Zweisamkeit“ mit ihr haben auch bei ihm noch einmal emotionale Spuren hinterlassen. Die es aber auch zuvor schon gab. 

„Es ist die Orgel, über die ich zu meinem Beruf gekommen bin“, sagt er. „Ich bin immer mit meiner Oma aus Mönchengladbach hierhergekommen und habe den Klängen gelauscht.“ Dass er in den vergangenen Monaten so tief ins Innere des imposanten Instruments vordringen durfte, dass er jede Pfeife mehrmals in die Hand nehmen durfte, dass er sie so schön zum Klingen bringen durfte wie nie zuvor, „das ist für mich eine riesengroße Ehre“.

Orgel-Festjahr in Kevelaer
Anfang März wird die Orgel in der Marienbasilika wieder offiziell in Betrieb genommen. Es wird dann über das ganze Jahr zu hochkarätig besetzten Konzerten eingeladen. So werden unter anderem der englische Organist Jonathan Scott oder der französische Organist Thomas Ospital zu hören sein. Aber auch Chor- und Orchester-Arrangements wird es geben. Der Auftakt ist ein Konzert mit Orgel, Orchester und Chor unter der Leitung von Constantin Alex und Wolfgang Seifen am Freitag, 8. März. Mehr Informationen: www.wallfahrt-kevelaer.de

Anzeige