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Papst Franziskus hat den Neujahrsempfang der beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter für einen weltpolitischen Rundumschlag genutzt. In seiner programmatischen Rede am Montag ging er auf Konfliktthemen wie die anhaltende Corona-Pandemie, den Klimawandel und die Migrationsfrage ein.
Das Oberhaupt der katholischen Kirche sparte nicht mit Kritik: Es sei besorgniserregend, dass angesichts drängender globaler Herausforderungen „eine sich ausweitende Aufsplitterung der Lösungen zu verzeichnen ist“. Oft fehle schlicht der Wille zum Dialog, was bestehende Spannungen verstärke.
Besorgt äußerte sich Franziskus über zunehmende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung. Er sehe eine „Cancel Culture“ (Kultur des Ausgrenzens), die in immer mehr öffentliche Bereiche vordringe. Internationalen Organisationen warf er in diesem Zusammenhang „eine Form der ideologischen Kolonisierung“ vor.
Franziskus erinnert an Religionsfreiheit
„Nicht selten hat sich der Schwerpunkt des Interesses auf Themen verlagert, die von ihrer Art her spalten“, so der Papst. Im Namen des Schutzes einer Diversität werde der Sinn für jede Art von Identität ausgelöscht. Vernünftige Meinungen würden zum Schweigen gebracht. Stattdessen sei man dabei, „ein Einheitsdenken zu entwickeln, das dazu zwingt, die Geschichte zu leugnen, oder schlimmer noch, sie auf der Grundlage zeitgenössischer Kategorien umzuschreiben“.
„Wir dürfen nie vergessen, dass es einige bleibende Werte gibt“, mahnte der 85-Jährige. Es sei nicht immer leicht, sie zu erkennen. Er wolle insbesondere „an das Recht auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende“ sowie an das Recht auf Religionsfreiheit erinnern.
Bürger bei Pandemie einbeziehen
Mit Blick auf die Pandemie beklagte Franziskus „starke ideologische Gegensätze“, die ein gemeinsames Vorgehen verhinderten: „Jede ideologische Aussage durchtrennt die Bindung der menschlichen Vernunft an die objektive Realität der Dinge.“ Gerade im Kampf gegen das Coronavirus sei aber eine gewisse „Wirklichkeitspflege“ nötig. Impfstoffe seien „keine magischen Heilungswerkzeuge“. Doch sie stellten – zusätzlich zu den Therapien, die entwickelt werden müssten – „die vernünftigste Lösung zur Vorbeugung der Krankheit“ dar. Bei alledem müssten die Bürger mit einbezogen werden, „sodass sie sich mitbeteiligt und mitverantwortlich fühlen können“. Das funktioniere nur durch „transparente Kommunikation“.
Der Papst sprach auch die angespannte Lage in Krisenländern wie Jemen („eine menschliche Tragödie“ ) oder Syrien an („keine klare Perspektive für den Wiederaufbau“). Israelis und Palästinenser ermunterte er zu einer Wiederaufnahme direkter Gespräche im Friedensprozess. Ebenso erwähnte er die Spannungen in Libyen, den „internationalen Terrorismus“ in der Sahelzone. Die Konfliktparteien im Sudan, Südsudan und Äthiopien forderte er zu einem „aufrichtigen Dialog“ auf.
Deutscher Botschafter sieht Parallelen
Europa gab Franziskus ebenfalls eine Botschaft mit auf den Weg. Die EU müsse im Umgang mit dem Thema Migration dringend einen „inneren Zusammenhalt“ finden. Es brauche ein „kohärentes und umfassendes System zur Steuerung der Migrations- und Asylpolitik“. Nur so könne die Verantwortung für die betroffenen Menschen gerecht geteilt werden. Es gelte, „Gleichgültigkeit zu überwinden und die Vorstellung zurückzuweisen, dass Migranten das Problem von anderen sind.“
Deutschlands neuer Botschafter beim Vatikan, Bernhard Kotsch, reagierte positiv auf die Ausführungen des Papstes. Es gebe „große inhaltliche Parallelen“ zu den außenpolitischen Zielen der Bundesregierung, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf Anfrage. Zwar räumte Kotsch „unterschiedliche Herangehensweisen“ beim Erreichen mancher Zwischenziele ein. Das ändere aber nichts an der grundsätzlichen Übereinstimmung in wesentlichen Fragen.