Abschluss der Reihe "Domgedanken"

Nobelpreisträgerin in Münsters Dom: Frieden mit Putin wäre Kapitulation

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Die russische Menschrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa sagt, ein Frieden mit Wladimir Putin käme einer Kapitulation gleich. Im Dom in Münster verwies sie auch auf leidvolle Erfahrungen damit, was Putin unter "Frieden" verstehe.

Die russische Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa sieht keine Chance für Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin über ein Ende des Kriegs in der Ukraine. Das Vorgehen des russischen Präsidenten lasse keinen Zweifel an der Durchsetzung seines Vorsatzes "Ich will die ukrainische Seite", sagte Scherbakowa am Mittwochabend im Dom in Münster.

Wer territoriale Zugeständnisse der Ukraine fordere, müsse sich darüber im Klaren sein, dass dies den Verlust von Menschen bedeute. Das hätten bisherige Erfahrungen in vormals von den Russen besetzten Gebieten gezeigt. Was Putin unter Frieden verstehe, zeige sich in Tschetschenien und Syrien.

Was Russland heute prägt


Begegnung auf dem Domplatz (von links): Dompropst Hans-Bernd Köppen, Irina Scherbakowa und Bischof Felix Genn. | Foto: Thomas Mollen (pbm)

Das gewaltsame russische Vordringen und die Propaganda bedrohten auch die Demokratien in Europa und den USA, warnte die Menschenrechtlerin. Die Forderung, Frieden mit Putin zu schließen, bedeute eine Kapitulation vor dem russischen Machthaber, sagte sie zum Abschluss der Reihe "Domgedanken" unter dem Titel "Krieg! Und Frieden?".

Scherbakowa, die als Gründungsmitglied der 1989 gegründeten Menschenrechtsorganisation Memorial 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, verwies darauf, dass in Russland selbst das Zeigen einer Friedenstaube verboten sei. Zudem habe eine Aufarbeitung der Geschichte Russlands in der Zeit des Stalinismus mit Millionen Opfern nie stattgefunden. Das heutige Russland sei geprägt vom Hass gegen alles Fremde, sagte die Germanistin, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nach Deutschland übersiedelte.

Schuld der Kirche - und jedes einzelnen Russen

Der russischen orthodoxen Kirche hielt Scherbakowa vor, das Regime und den Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Kritische Priester seien mundtot gemacht oder kaltgestellt worden. Es gebe allerdings auch eine kollektive Verantwortung, erklärte die Rednerin. Von dieser Verantwortung könne sich keine Russin und kein Russe freisprechen.

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