Ulrich Suffner zur Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche

Nur Selbstbegrenzung schafft Vertrauen

Anzeige

Es ist längst klar: Die katholische Kirche in Deutschland steckt in einer massiven Krise. Vieles geht zurück - die Zahl der Gläubigen, die Bedeutung in der Gesellschaft, die Glaubwürdigkeit der Kirche. Was ist zu tun? Ulrich Suffner, Katholik und Chefredakteur der OM-Gruppe in Vechta, macht in seinem Gast-Kommentar einige Vorschläge.

Die Erkenntnis ist nicht neu: In Deutschland wird das Christsein nicht länger von familiären Traditionen oder Milieus vorgegeben. Christsein ist heute Bekenntnis. Leider wird dessen Glaubwürdigkeit massiv in Frage gestellt – durch jahrzehntelangen Missbrauch von Kindern und die anhaltende Unfähigkeit der Amtskirche, systemisches Versagen einzugestehen. In Scharen kündigen Gläubige ihre Mitgliedschaft. Damit einher geht der Bedeutungsverlust der Kirche im gesellschaftspolitischen Diskurs.

In dieser Situation spüren viele Pfarrgemeinden, dass es Zeit ist, die großartige Botschaft Jesu selbst unter das Volk zu bringen, von Nachbar zu Nachbar, von Eltern zu Kindern, vom Alteingesessenen zum Zugezogenen. Vor allem gläubige Frauen wagen immer selbstbewusster basisdemokratische Aufbrüche. Sie folgen ihrem Gewissen und dem gesunden Menschenverstand.

 

Weichgespülte Reformvorschläge reichen nicht

 

Man darf Gemeindeleben nicht romantisieren, aber nicht nur die Diaspora lehrt, dass sich aus persönlichem Bekenntnis und Einsatz für den Nächsten starke Gemeinschaften entwickeln können, die im Leben stehen – und nicht nur daneben. Dass sich dieser Wandel vom pries­terzentrierten zum gemeindezentrierten Katholizismus auch in Deutschland stärker manifes­tiert, ist eine gute Entwicklung. Sie sollte Mut machen. Ein so verstandener Katholizismus ließe auf Dauer Raum für Subsidiarität, von der Papst Franziskus heute nur reden mag. Er ließe auf Dauer Raum für Reformen, ohne dass Inhalt und Einheit des Glaubens in Frage gestellt würden.

Der Autor
Ulrich Suffner (53) ist Chefredakteur der Redaktion der OM-Mediengruppe, die im südoldenburgischen Teil des Bistums Münster die Oldenburgische Volkszeitung in Vechta, die Münsterländische Tageszeitung in Cloppenburg und das lokale Nachrichtenportal OM online herausgibt. Der Katholik ist mit einer Musikpädagogin verheiratet und Vater von drei erwachsenen Söhnen.

Ein Ausdruck dieses Wandels ist – bei aller Machtlosigkeit in weltkirchlicher Perspektive – auch der Synodale Weg. Das Gespräch auf Augenhöhe mögen Bischöfe initiiert haben, erzwungen haben es Laien. Schon auf halber Wegstrecke ist klar, dass die Geistlichkeit ihre Glaubwürdigkeit nicht allein mit zwei, drei weichgespülten Reformvorschlägen zu Zölibat, Frauenamt und Sexualmoral zurückgewinnt, die in Rom ohnehin folgenlos bleiben werden.

 

Bischöfe müssen Macht begrenzen

 

Es ist an der Zeit, dass zumindest hierzulande Bischöfe ihre absolute Macht dort begrenzen, wo es ohne Segen Roms sehr wohl möglich ist. Es ist zum Beispiel an der Zeit, die im Bischofsamt bisher vereinten Gewalten von Rechtsetzung, Rechtsumsetzung und Rechtsprechung zu trennen und eine vom Bischof unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit einzuführen. Nach allem, was passiert ist, schafft nur Selbstbegrenzung neues Vertrauen im Kirchenvolk, das heutzutage – Gott sei Dank – noch immer die Bibel, aber eben auch ein demokratisches Grundgesetz im Herzen trägt.

Die Positionen der Gastkommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.

Anzeige