Besuch im Bildungszentrum Widenberg

Opus Dei – was ist das eigentlich?

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Vor 25 Jahren wurde Josemaria Escrivà seliggesprochen – der spätere Heilige war Gründer des Opus Dei, zu deutsch: „Werk Gottes“. Die Organisation ist umstritten, das Image negativ. Doch was macht das Opus Dei aus, wer gehört dazu? Ein Besuch.

Wer im Bistum Münster mehr wissen will über das Opus Dei, der kommt am Bildungszentrum Widenberg nicht vorbei. Das Haus liegt im Kreuzviertel in Münster, nahe der Promenade. Hartwig Bouillon, ein fröhlicher Rheinländer, empfängt den Besucher und führt durch die Räume. Wir steigen die Treppe hoch, betreten das geräumige Wohnzimmer mit einem Flügel, gehen in die Kapelle und blicken in eines der Zimmer, das an Studenten vermietet wird. Alles gediegen, gepflegt und finanziert aus Spenden der Mitglieder.

 

„Heiligung des Alltags“

 

Bouillon, Jahrgang 1954, leitet das Bildungszentrum. Seit 13 Jahren lebt er in Münster; früher hat er als Journalist gearbeitet. Er kennt die vielen Negativ-Berichte über das Opus Dei. Doch er will sie widerlegen.

Andere Punkte sind dem Leiter wichtig: dass die Mitglieder der Gemeinschaft eine „Heiligung des Alltags“ anstreben und ihren Glauben stärken wollen. Dass eine familiäre, einladende Atmosphäre im Haus herrscht, in dem sich Interessierte zu Glaubenskursen treffen. Etwa 80 bis 100 Menschen sind es nach Auskunft von Bouillon jeden Monat. In 24 Kursen sprächen sie über Gott und die Welt. Für den Leiter ein Zeichen dafür, dass es eine Sehnsucht nach Gott gibt.

 

Eine Elitetruppe?

 

Und wer gehört dazu? Eher wohlhabende, konservative Akademiker? In der Literatur stößt man auf etliche Beiträge, die das Opus Dei als Elitetruppe für Intellektuelle beschreiben. Es passt ins Bild, dass zu den Gründern in Münster 1976 ein Juwelier gehörte und heute ein Chirurg dabei ist. Bouillon aber hat für unser Gespräch einen Tischlermeister hinzugebeten.

Michael Hanuschik kommt  gerade von der Arbeit, hat noch Farbreste an den Fingern. Einmal im Monat gestaltet er einen Glaubenskurs mit vier bis sechs Familienvätern. „Das sind Freunde von mir“, erklärt er mit leiser Stimme. „Wir behandeln dann ein Thema.“ Zum Beispiel den „KKK“. Was das ist? Der Katechismus der katholischen Kirche. Kürzlich sprach die Runde über das sechste Gebot.

 

600 Mitglieder in Deutschland

 

Hanuschik selbst hat sich entschieden, ledig zu bleiben, zölibatär zu leben. So habe er mehr Zeit für Gott und versuche, sein Leben nach ihm auszurichten. „Meine Devise ist: Wenn ich an der Hobelbank stehe oder beim Kunden bin – ich mache alles mit dem Herrn zusammen.“

Der Tischler gehört zu den  rund 600 Mitgliedern des Opus Dei in Deutschland, etwa 25 sind es im Bistum Münster. Bei den Kursen sind Männer und Frauen strikt getrennt: Im Bildungszentrum Widenberg treffen sich die Männer, etwa zu „Einkehrstunden für Herren“ – im Bildungszentrum Hogesteg, 400 Meter weiter und ebenfalls im Kreuzviertel, richten sich die Kurse an Frauen.

 

Von Steinitz: Buße spielt zentrale Rolle

 

„Der Priester ist das einigende Band“, erklärt Bouillon. Der Priester: Das ist Peter von Steinitz, der zum Gespräch hinzukommt. Von Steinitz, Jahrgang 1940, ist seit 2007 zuständig für die Seelsorge der Prälatur Opus Dei in Münster. Einst arbeitete er als Architekt, 1984 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Priester geweiht.

Im Internet ist er mit der Homepage www.beichte-von-steinitz.de zu finden, weil Buße aus der Sicht des Geistlichen eine zentrale Rolle im christlichen Leben spielt. Wer bei ihm beichten will, kann ihn im Paulusdom, in St. Lamberti oder im Osnabrücker Dom aufsuchen.

 

Mit Bußgürtel

 

Bildungszentrum Widenberg
Im Bildungszentrum Widenberg im Kreuzviertel von Münster bietet das Opus Dei zahlreiche Glaubenskurse an. | Foto: Christof Haverkamp

Für von Steinitz ist es völlig normal, dass Opus-Dei-Mitglieder einen Bußgürtel um den Oberschenkel tragen. Das erinnert ihn an das Leiden Christi. Viele Heilige hätten ein härenes Gewand getragen, auch Mutter Teresa habe einen Bußgürtel gehabt.

Doch Hartwig Bouillon ist es nicht ganz recht, dass wir so ausführlich über dieses Thema sprechen; er befürchtet, die Leser könnten beim Stichwort Bußgürtel wieder einmal einen falschen Eindruck vom Opus Dei gewinnen. Der Gründer der religiösen Gemeinschaft, Josemaria Escrivá, habe dem Bußgürtel nur eine untergeordnete Rolle beigemessen.

 

Umstrittenes Buch „Der Weg“

 

Und wie ist das mit seinem umstrittenen Buch „Der Weg“, einer Sammlung von Gedanken und Anregungen? „Mit dem ›Weg‹ kann man gut beten“, sagt Bouillon, fürchtet aber auch hier Missverständnisse: Durch ein paar „Hammersätze“ aus dem Buch könne sich jemand skandalisiert fühlen, der ein „Soft-Christentum“ bevorzuge.

Zum Beispiel: „Verleugne dich selbst. Es macht glücklich, sich aufzuopfern.“ Oder: „Wenn du dich nicht abtötest, wirst du nie ein Mensch des Gebetes.“

Das sind, wie Bouillon sagt, Impulse, die sehr direkt ansprechen. „In einer Zeit, in der junge Leute mit den härtesten Computerspielen konfrontiert werden, brauchen wir Gedanken, die uns aufrütteln und zu Gott führen“, sagt er.

 

Immer wieder in den Schlagzeilen

 

Der Opus-Dei-Mann kennt die Kritik, die an der religiösen Gemeinschaft geäußert wird. Immer wieder geriet sie in die Schlagzeilen. Etwa 1983, als der Autor Klaus Steigleder seinen Ausstieg aus dem Opus Dei öffentlich machte. Sektenähnliche Verhältnisse hielt er dem Werk seinerzeit vor.

Ähnliche Vorwürfe sind von ehemaligen Anhängern im Internet unter www.opusfrei.org zu finden. Dort ist von „Repressalien“ und „Gehirnwäsche“ die Rede. Und es finden sich konkrete, vor allem finanzielle Ratschläge für den Ausstieg.

 

Was ist an diesen Vorwürfen dran?

 

Was ist an diesen Vorwürfen  heute dran?  Nachfrage beim Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V., ob sich in jüngster Zeit Aussteiger aus dem Opus Dei gemeldet haben. Antwort: „Wir hatten früher tatsächlich Opus Dei-Fälle in der Beratung sowie Informationsanfragen.“

Dies sei weniger geworden und in den letzten vier Jahren nicht mehr vorgekommen. „Gelegentlich gibt es eine Informationsanfrage.“ Und die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Landesstelle NRW e.V. schreibt: „Die letzte Anfrage zum Opus Dei kam vor circa zwei Jahren von einer Mutter, deren erwachsene Tochter seit vielen Jahren beim Opus Dei ist.“

 

„Wir sind reifer geworden“

 

Monsignore von Steinitz sagt, es sei unproblematisch, wenn ein Mitglied das Opus Dei verlassen wolle. Und Bouillon winkt ab: „Diese alten Sachen.“ Er räumt aber auch ein: „Wir sind älter geworden, wir sind reifer geworden.“ Die früheren kirchenpolitischen Debatten sollten nicht mehr aufgewärmt werden, meint der Leiter.

Schon 2006 wehrte er sich gegen das Negativ-Image. Da war die Verfilmung von Dan Browns Bestseller „The Da Vinci Code – Sakrileg“ in die Kinos gekommen, in dem das Opus Dei als mörderische katholische Sekte dargestellt wurde. Doch Bouillon stellt fest: „Es ist anders als das Klischee.“

Der Opus Dei-Gründer Josemaria Escrivá wurde am 9. Januar 1902 in Barbastro im Norden Spaniens geboren. Mit 23 Jahren empfing er die Priesterweihe. Am 28. Oktober 1928, im Alter von nur 26 Jahren, gründete er während geistlicher Besinnungstage in Madrid das Opus Dei. Den Namen verwendete Escrivá aber erst ab den Dreißigerjahren. Zunächst nur für Männer gedacht, öffnete sich die Gemeinschaft 1930 auch für Frauen. Ab 1950 konnten sich zudem Verheiratete anschließen. Escrivá zog 1946 nach Rom um, leitete die Ausbreitung des Werkes und promovierte in Theologie. Am 26. Juni 1975 starb er in Rom. Am 17. Mai 1992 hat ihn Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz selig- und am 6. Oktober 2002 heiliggesprochen.

Nach Deutschland kamen die ersten Mitglieder des Opus Dei 1952. Seit 1982 ist es eine Personalprälatur, also eine besondere Rechtsform mit einem Prälaten an der Spitze. Das heißt: Die Mitglieder, darunter Priester, unterstehen nicht dem Ortsbischof.

Innerkirchlich ist das Opus Dei sehr umstritten. In der aktuellen Auflage des „Lexikons für Theologie und Kirche“ heißt es: „Die bekannte Kritik am Opus Dei entzündet sich vor allem an der Geheimhaltungstendenz, den internen Frömmigkeitsformen sowie dem exempten Verhältnis gegenüber den Ortsordinarien.“  Wie weit das Opus Dei innerhalb der Kirche Macht und Einfluss hat, lässt sich schwer feststellen.

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