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Erstmals seit dem 7. Oktober war der Nahost-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz in Jerusalem. Dort hörte der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz den Wunsch nach Frieden, aber auch von Misstrauen, das zu Hass geworden ist.
Der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz hat bei seinem jüngsten Besuch in Jerusalem viel Verzweiflung und Ratlosigkeit bei Israelis wie auch Palästinensern erlebt. "Wir können von außen nur schwer erahnen, wie massiv das israelische Volk traumatisiert ist", sagte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für den Nahen und Mittleren Osten am Samstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Freilich wurde bei unseren Gesprächen auch deutlich, dass das in der Konsequenz und der folgenden Entwicklung auch zu einer Traumatisierung im palästinensischen Volke führte", berichtete Bentz.
"Mir erzählten palästinensische Schülerinnen im Gespräch, bisher herrschte an vielen Stellen Misstrauen, das ist plötzlich zu Hass geworden." Diese Erfahrungen gehörten inzwischen anscheinend zum Alltag der Jugendlichen, so Bentz. "Ihre Eltern hätten Angst, sie aus dem Haus zu lassen. Und auf dem Schulweg im Bus spürten sie hautnah die Skepsis, wenn sie Arabisch sprächen." Bentz hatte erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs Jerusalem besucht.
Bentz: Konflikt wesentlich komplexer
Der Konflikt, in den auch Christen involviert sind, sei "wesentlich komplexer, als wir es in Deutschland wahrnehmen", sagte Bentz. Auch Christen seien Opfer des Massakers der radikalislamischen Hamas geworden, dienten in der israelischen Armee und seien auch im Gazastreifen im Einsatz. "Aber es sind auch die Christen in Gaza, die unter dieser humanitären Katastrophe und der Gewalt leiden. Und auch im Westjordanland leben Christen, die von der Siedlungspolitik und der Siedlungsgewalt betroffen sind - die im Schatten des Gaza-Kriegs nochmals deutlich zugenommen hat", so der Erzbischof.
Große Ratlosigkeit herrsche vor Ort bei der Frage nach einer Friedenslösung, sagte Bentz. "Aber es ist auch deutlich geworden, dass das Ende der Gewalt nicht den Beginn von Frieden bedeutet." Anders als vor wenigen Jahren sei die Zwei-Staaten-Lösung derzeit für viele die einzige Option. Viel hänge von Israels Innenpolitik ab, "die Regierung steht massiv unter Druck", so der Erzbischof. "Auf der anderen Seite hörte ich von Vertretern der palästinensischen Zivilbevölkerung, ihre Administrationsbehörde sei sehr schwach, es gebe kein Vertrauen, es müsse einen Wechsel geben."
“Würde aller Menschen verteidigen”
Zur Rolle der Christen im Konflikt zitierte Bentz den Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa: Die Kirche habe "in erster Linie keine politische Aufgabe", sondern müsse deutlich machen, "dass sie an der Seite der leidenden Menschen steht". Ihr großes Ziel sei es, "die Würde aller Menschen zu verteidigen - auf beiden Seiten".
Die Sicherheit Israels könne nicht nur durch Militär und Polizei gesichert werden. "Die Achtung der Rechte der Palästinenser widerspricht letztlich nicht dem Sicherheitsinteresse Israels, sondern dient ihm sogar", betonte Bentz. "Denn wo die Menschen wirklich in ihrer Würde und ihren Rechten geachtet werden, dort wird dem Extremismus die Grundlage entzogen."
Mit dem Bundesverfassungsgerichtspräsidenten in Yad Vashem
Anlass der Reise von Bentz waren die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum des Theologischen Studienjahresin Jerusalem. Zum Auftakt seines Besuches stand ein Gespräch mit dem Leiter des Vertretungsbüros der Bundesrepublik Deutschland in Ramallah, Oliver Owcza, an. Danach besuchte der Erzbischof das "Rossing Center for Education and Dialogue". Auch mit dem Abt der deutschsprachigen Benedtinerabtei Dormitio auf dem Zionsberg in Jerusalem, Nikodemus Schnabel, traf sich Bentz zum Austausch.
Am Donnerstag traf er neben Vertretern der palästinensischen Zivilgesellschaft auch den Apostolischen Nuntius, Erzbischof Adolfo Tito Yllana, und den deutschen Botschafter in Israel, Steffen Seibert. Zudem besuchte er die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, um der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Mit dabei waren der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Stephan Harbarth.