Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin: "30.000 Tote sind sicherlich nicht verhältnismäßig"

Vatikan kritisiert Israels Vorgehen im Gazastreifen als "Blutbad"

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Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, im Auftrag des Papstes zuständig für die vatikanische Politik, hat sich ungewöhnlich scharf zum Vorgehen Israels in Gaza geäußert. Die Reaktion der israelischen Botschaft beim Heiligen Stuhl fällt eindeutig aus.

Der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat das aktuelle Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen als unverhältnismäßig verurteilt und als "Blutbad" bezeichnet. Nach einem Treffen mit Spitzenvertretern der italienischen Regierung sagte Parolin am Dienstagabend in Rom laut Vatican News: "Es gibt eine allgemeine Einschätzung, dass es so nicht weitergehen kann und dass andere Wege gefunden werden müssen".

Der Chefdiplomat des Papstes betonte, dass der Heilige Stuhl von Anfang an rückhaltlos verurteilt habe, was am 7. Oktober geschehen sei. Dazu gehöre auch die Verurteilung jeglicher Form des Antisemitismus. Zugleich fordere er, dass das Recht Israels auf Selbstverteidigung, das für den Einsatz im Gazastreifen geltend gemacht worden sei, verhältnismäßig sein müsse.

Parolin: Wir alle sind entsetzt

"Mit 30.000 Toten ist es das sicher nicht", so Parolin. Weiter sagte er: “Ich glaube, wir alle sind entsetzt über das, was gerade geschieht, über dieses Blutbad, aber wir müssen den Mut haben, nicht aufzugeben und die Hoffnung nicht zu verlieren.”

Parolin äußerte sich nach einem Festakt in der Botschaft Italiens beim Heiligen Stuhl, an dem auf italienischer Seite Staatspräsident Sergio Mattarella, Premierministerin Giorgia Meloni und Außenminister Antonio Tajani teilnahmen. Anlass war die Unterzeichnung des Konkordats zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl vor 40 Jahren.

Kritik von Israel

Israels Botschaft am Heiligen Stuhl wies die Parolins inzwischen zurück. "Die Beurteilung der Legitimität eines Krieges ohne Berücksichtigung ALLER relevanten Umstände und Daten führt unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen", teilte die Botschaft am Mittwoch in einer Erklärung in italienischer Sprache mit. Das Wort "tutte" (aller) stand in Großbuchstaben.

Die Botschaftbezeichnete die Äußerungen des Kardinals als bedauerlich. Die radikalislamische Hamas habe den Gazastreifen in die größte terroristische Zone aller Zeiten verwandelt. Palästinensische Zivilisten hätten sich am 7. Oktober aktiv am Angriff auf Israel beteiligt.

Israel: Verantwortung liegt allein bei der Hamas

Die darauf folgende Operation des israelischen Militärs sei mit internationalem Recht vereinbar. Die Zahl der dabei getöteten Zivilisten sei im Verhältnis geringer als in anderen Kriegen der jüngeren Zeit. Die Verantwortung für Tod und Zerstörung im Gazastreifen liege allein bei der Hamas.

Seit dem Beginn des Nahost-Kriegs sind laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium in Gaza rund 28.000 Menschen gestorben. Im Zusammenhang mit dem Hamas-Angriff auf Israel gehen die dortigen Behörden von rund 1.200 israelischen und ausländischen Todesopfern aus.

UPDATE: Ergänzt um Reaktion der israelischen Botschaft beim Heiligen Stuhl (14.02.2024., 16:50)

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