Eine finanzielle Entschädigung von Betroffenen hatten Portugals Bischöfe abgelehnt

Papst trifft sich beim WJT mit Klerikern und mit Missbrauchsopfern

  • Papst Franziskus hat in Portugal eine Gruppe von Opfern sexualisierter Gewalt durch Geistliche getroffen.
  • Zuvor sprach er vor Priestern, Seminaristen und Seelsorgern.
  • Sie mahnte er, sich dem "offenen Meer" zu stellen und das Boot der Kirche nicht am Ufer festzumachen und sich in Vergangenes zu flüchten.

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Papst Franziskus hat in Portugal Opfer sexualisierter Gewalt getroffen. In der Vatikan-Botschaft in Lissabon empfing er am Mittwochabend 13 Personen, die in der Vergangenheit von Geistlichen missbraucht worden waren, teilte das vatikanische Presseamt mit.

Eine Atmosphäre „intensiven Zuhörens“ habe das Treffen geprägt. Die Betroffenen wurden demnach von Vertretern kirchlicher Einrichtungen zum Schutz von Minderjährigen begleitet. Weiteres zum Inhalt des Treffens teilte der Vatikan zunächst nicht mit.

Keine kirchliche Entschädigung in Portugal

Mitte Februar hatte eine von Portugals Bischofskonferenz ins Leben gerufene Kommission einen Untersuchungsbericht veröffentlicht, wonach zwischen 1950 und 2022 mindestens 4.815 Personen im kirchlichen Kontext sexualisierte Gewalt erlitten. Die Übergriffe fanden demnach vor allem in katholischen Seminaren, Heimen, Schulen und Sporteinrichtungen statt. Das Durchschnittsalter der Opfer lag bei knapp elf Jahren; in 77 Prozent der Fälle waren Priester die Täter.

Eine finanzielle Entschädigung der Betroffenen lehnten die portugiesischen Bischöfe ab, da Missbrauchsfälle individuelle Straftaten seien. Stattdessen werde man der Opfer in einem Gottesdienst beim Weltjugendtag gedenken.

Protestplakat von Betroffenen

Zudem wurde die Errichtung eines Mahnmals aus Anlass des Weltjugendtags angekündigt. Anfang Juli sagten die Bischöfe die Präsentation des Denkmals jedoch mit der Erklärung ab, es „werde noch geprüft“.

Vor dem Treffen des Papstes am Mittwoch sorgte eine Plakataktion von Betroffenen für Aufsehen. Die Gruppe „This is our memorial“ errichtete an einer der belebtesten Straßen Lissabons eine große Plakatwand mit der Aufschrift „4.800+ von der katholischen Kirche in Portugal missbrauchte Kinder #WYT #JMJ“. Daneben stehen 4.815 Punkte, die jedes einzelne Opfer repräsentieren sollen.

Papst vor Priestern: „Müdigkeit“ in der Kirche

Bei einem Treffen mit hunderten Priestern, Seminaristen und Seelsorgern rief Franziskus die Kirche auf, Resignation und Pessimismus zu überwinden. Die Kirche verspüre auf ihrem Weg ein Gefühl der „Müdigkeit“. Dies sei vor allem in Ländern mit alter christlicher Tradition verbreitet, die von Säkularismus und Gleichgültigkeit gegenüber Gott geprägt seien.

Verstärkt werde dies durch Enttäuschung und Zorn über die Kirche, den manche wegen der Skandale empfänden. Skandale hätten das Gesicht der Kirche entstellt, sie müsse sich in Demut läutern und dabei vom „Schmerzensschrei der Opfer“ ausgehen.

„Nicht in Formen der Vergangenheit flüchten“

Die Seelsorger sollten den Herrn ins Boot der Kirche einsteigen lassen, damit er noch einmal „das Steuer in die Hand nimmt“. Es sei „nicht die Zeit, anzuhalten und aufzugeben, das Boot am Ufer festzumachen oder zurückzublicken“, betonte der Papst.

„Wir dürfen nicht vor dieser Zeit fliehen, weil sie uns ängstigt, und uns in Formen und Stile der Vergangenheit flüchten.“ Vielmehr gelte es, auf das „Meer der Evangelisierung“ hinauszufahren.

„Sich dem offenen Meer stellen“

Franziskus rief die Seelsorger auf, sich ein Beispiel an den Surfern zu nehmen, die am Strand von Nazare die Atlantik-Wellen herausfordern. „Fürchten wir uns nicht, uns dem offenen Meer zu stellen!“, so der Papst.

Nachdrücklich warb er für die Weltsynode im Oktober: „Die Kirche ist synodal, sie ist Gemeinschaft, gegenseitige Hilfe, gemeinsames Unterwegssein.“ Auf dem Schiff der Kirche müsse Platz für alle sein: „Alle Getauften sind aufgerufen, einzusteigen, die Netze auszuwerfen und sich persönlich für die Verkündigung des Evangeliums einzusetzen.“

„Ohne Beteiligung der Laien altert die Kirche“

Der Papst ermutigte die Kirchenmitarbeiter, Laien mit Elan und Kreativität einzubinden. „Wenn es keinen Dialog, keine Mitverantwortung und keine Beteiligung gibt, altert die Kirche.“

Ab Donnerstag nimmt Franziskus am katholischen Weltjugendtag mit mehreren hunderttausend Jugendlichen teil.

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