Schon 2024 soll es verankert sein

Präsident Macron für „Recht auf Abtreibung“ in Frankreichs Verfassung

Anzeige

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht Ernst: Schon 2024 soll in der Verfassung ein „Recht auf Abtreibung“ stehen.

Der Vorsatz war lange bekannt – nun macht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Ernst: Auf der Plattform X stellte er seinen Zeitplan vor, um ein „Recht auf Abtreibung“ in der Verfassung zu verankern.

Der Gesetzentwurf soll demnächst dem Staatsrat vorliegen, Frankreichs oberstem Verwaltungsgericht. Im Gesetzgebungsverfahren berät es die Regierung. Bis Jahresende gehe der Entwurf dann an den Senat, das Oberhaus. 2024 schon, so Macron, werde die Freiheit der Frauen zum Schwangerschaftsabbruch unumkehrbar sein.

Was in Frankreich erlaubt ist

Frankreichs Präsident hat sich wiederholt für ein „Recht auf Abtreibung“ im Verfassungsrang ausgesprochen. Auch für den damaligen französischen EU-Ratsvorsitz kündigte Macron 2022 an, den Zugang zu Abtreibungen in der europäischen Grundrechte-Charta verankern zu wollen. In einigen EU-Mitgliedstaaten gebe es Versuche, „bestimmte Grundrechte zurückzunehmen“.

Im Herbst 2020 hatte Frankreichs Nationalversammlung nach hitzigen Debatten die Frist für Abtreibungen von zwölf auf 14 Wochen verlängert. Derzeit werden in Frankreich jedes Jahr rund 230.000 Abtreibungen vorgenommen, ein Viertel außerhalb von Krankenhäusern. Etwa jede vierte Schwangerschaft wird dadurch beendet. Die Einnahme von Abtreibungspräparaten zu Hause ist bis zur siebten Woche gestattet.

Befürworter der längeren Frist

Befürworter der Fristverlängerung argumentierten, derzeit gingen viele Schwangere nach Spanien, Großbritannien oder in die Niederlande, wo Abbrüche bis zur 22. Woche erlaubt seien. Auch führten nur drei Prozent der Gynäkologen und Hebammen in Frankreich Abtreibungen durch. Dadurch gebe es lange Wartezeiten, die Abbrüche letztlich nicht mehr legal möglich machten.

Ein Blick in die Geschichte: Artikel 317 von Napoleons Strafgesetzbuch 1810 sah vor, dass „wer durch Essen, Trinken, Medizin, Gewalt oder auf andere Weise bei einer schwangeren Frau eine Abtreibung bewerkstelligt, mit Freiheitsstrafe belegt“ wird. Dasselbe galt für die Frau selbst.

Striktes Gesetz von 1810

Zwar wurde das Gesetz nicht mit voller Härte angewandt. Doch im sozial prekären 19. Jahrhundert wurde erwartet, dass gerade Frauen des Proletariats ausreichend künftige Arbeiter und Soldaten hervorbrachten, ungeachtet ihrer Lebensumstände.

Dagegen liefen um die Jahrhundertwende linke Pädagogen, Frauenrechtler und Sozialreformer Sturm. Die sogenannte „Engelmacherin“ Clemence Thomas meldete sich zu Wort, sie habe in den vergangenen Jahrzehnten dutzendfach Abtreibungen vorgenommen. 49 Frauen wurden im Prozess vorgeladen und alle freigesprochen, Thomas dagegen zu zwölf Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

Neuauflage 1920 galt fast 50 Jahre

Nach dem verlustreichen Ersten Weltkrieg votierte eine große Parlamentsmehrheit 1920 dafür, das Gesetz von 1810 neu aufzulegen. Das Strafmaß: Sechs Monate bis drei Jahre Haft plus Geldstrafe für Beteiligung an einer Abtreibung; bis zu sechs Monate Haft plus Geldstrafe bei Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Fast ein halbes Jahrhundert blieben das Gesetz und ein absolutes Verhütungsverbot unverändert in Kraft.

Erst mit den Gesetzen „Neuwirth“ von 1967 und „Veil“ 1975 wurden die Regeln von 1920 abgeschafft. Seit 1967 durften Französinnen die Pille nehmen; 1975 wurden Schwangerschaftsabbrüche bis zur zehnten, seit 2020 bis zur 14. Woche straffrei gestellt.

Das Dilemma

Familienministerin Simone Veil betonte in der Parlamentsdebatte im November 1974: „Ich sage mit all meiner Überzeugung: Abtreibung muss die Ausnahme bleiben, der letzte Ausweg für hoffnungslose Situationen. Aber wie können wir Abtreibung tolerieren, ohne dass sie ihren außergewöhnlichen Charakter verliert; ohne dass die Gesellschaft sie zu fördern scheint?“ Die Worte klingen bis heute nach.

Anzeige