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Eine Gemeinde braucht Spenden für eine Lebensmittel-Ausgabe, ein Hospiz für den laufenden Betrieb, eine Kita für einen neuen Spielplatz. Wie können sie damit erfolgreich werden und langfristig bleiben? Und welche Rolle spielt die Pandemie? Antworten von Expertin Silke Nuthmann - Teil 1 unserer Themenwoche "Fundraising" in Kooperation mit der Darlehnskasse Münster (DKM).
Frau Nuthmann, das Spendenaufkommen in Deutschland ist - trotz Pandemie – im vergangenen Jahr angestiegen. Das ist doch eigentlich eine gute Botschaft, oder?
Generell auf jeden Fall. Eine Befürchtung war ja, dass Menschen wegen Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust nicht mehr so viel geben können. Aber es war erleichternd zu sehen: Wenn eine Not da ist, sind Menschen hilfsbereit. Wenn man allerdings tiefer in die Zahlen schaut, sieht man auch: Das Aufkommen ist zwar gleich geblieben oder sogar gewachsen, aber die Zahl der Spender wird kleiner. Das gleiche gilt für die Gruppe der Älteren unter ihnen, die Gruppe, die bisher tendenziell am meisten gegeben hat.
Wie schneiden denn Kirchen oder karitative Projekte in Pandemiezeiten ab?
Was Spenden angeht, zählen sie zu den Verlierern der Pandemie. Zum Beispiel, weil Gottesdienste nicht oder nur mit weniger Teilnehmern stattfinden können und damit Kollekten massiv eingebrochen sind. Aber auch karitative Projekte rund um eine Gemeinde haben es derzeit schwerer. Weil man Menschen ohne die Treffen eben nicht so einfach erreichen kann, um für Anliegen zu werben, und andere Fundraisingwege noch wenig etabliert sind.
Haben Kirchengemeinden denn trotzdem eine Chance auf Spenden für ihre Anliegen?
Auf jeden Fall! Nur weil Gottesdienste wegfallen, bricht ja nicht das Netzwerk einer Gemeinde weg. Und Nähe ist wichtig. Wenn man einander kennt, wenn man weiß, worum es in einem Projekt geht, dann ist die Bereitschaft zu geben viel höher. Weil Nähe aber schwieriger geworden ist, müssen Gemeinden oder lokale Projekte künftig bereit sein, auch neue, ungewohnte Wege zu gehen.
Es reicht also nicht aus, am Schriftenstand einen Flyer auszulegen?
Nein, normalerweise nicht. Wer etwas erreichen will, muss systematischer vorgehen. Gemeinden müssen aktiver werden. Sie haben ja durchaus vertrauenswürdige und wichtige Anliegen. Damit dürfen sie sich auch ruhig trauen, gezielt potenzielle Spender anzusprechen. Solche, die schon mal gegeben haben, aber auch neue.
Nehmen wir ein Beispiel: Eine Gemeinde braucht Spenden für die Betriebskosten einer Tafel-Ausgabe. Worauf sollte sie dann achten?
Zum Beispiel auf die richtige Ansprache. Menschen geben ungern für Verwaltungskosten Geld oder spenden für leblose Dinge wie Mietkosten. Deshalb ist wichtig, dass man in den Vordergrund stellt, was Spender mit ihrem Geld möglich machen, die „Vision“ des Anliegens sozusagen. „Alle sollen satt werden“ zum Beispiel oder „Keiner muss Hunger leiden“. Und im zweiten Schritt muss man schauen, wen man darauf am besten ansprechen kann.
Heißt das, dass man sich besser auf wohlhabende Spender konzentriert?
Nein, nicht unbedingt. Man kann auch mit kleinen Beträgen viel schaffen. Wer sehr viele Menschen erreicht, kann auch mit fünf Euro pro Person Großes bewirken.
Welches sind die häufigsten Fehler bei der Bitte um Spenden?
Oft bleibt die Bitte zu indirekt. Da findet sich dann der Spendenaufruf für ein wichtiges und gutes Projekt ganz unten auf der letzten Seite eines Pfarrbriefs, und die Kontonummer ist kaum lesbar. Viele unterschätzen zudem den zeitlichen Vorlauf. Wenn es etwa um eine Spendenaktion für eine Kirchturm-Sanierung geht, heißt es dann: „In zwei Monaten kommt der Gerüstbauer. Und jetzt brauchen wir noch Spenden.“ Das ist zu knapp.
Sie sagen, Gemeinden und Institutionen sollten auch ihre vorhandenen Möglichkeiten und Informationen stärker nutzen?
Silke Nuthmann ist Kommunikationswissenschaftlerin und ausgebildete Fundraisingberaterin. Mit langjähriger Berufspraxis in den Bereichen Training, Coaching, Fundraising und PR teilt sie ihr Wissen und ihren Ideenreichtum gern mit anderen, mit Fokus auf machbare Lösungen, die Herzen berühren und Engagement nachhaltig ermutigen. | Foto: privat
Ja, zum Beispiel die Post- oder Email-Adressen. Wer die gut organisiert hat, kann Mitglieder schneller und unkomplizierter erreichen. Außerdem ist es hilfreich, in Kontakt mit Spendern zu bleiben. Indem man ihnen nach einer Spende dankt, aber eben auch dadurch, dass man sie über den Verlauf eines Projekts informiert und durchaus auch auf weitere Spenden anspricht. Wenn man weiß, dass jemand an einem Thema interessiert ist, dann ist die Chance höher, dass er erneut gibt. Das wird oft unterschätzt.
Viele scheuen sich, immer dieselben Menschen um Hilfe zu bitten.
Ja, aber gerade weil die Zahl der Spender abnimmt, ist es besonders wichtig, die zu pflegen, von denen man weiß, dass sie dazu bereit sind. Sonst gehen sie vielleicht beim nächsten Mal woanders hin. Große Hilfsprojekte machen das mit ihren regelmäßigen Spendenbriefen recht erfolgreich vor.
Warum ist der Dank so wichtig?
Weil Spender das gute Gefühl haben wollen, dass sie mit ihrem Geld etwas bewirkt haben. Sie sollten spüren, dass sie ein Problem gelöst oder Menschen geholfen haben, etwas beigetragen haben zu einer besseren Welt.
Wenn eine Einrichtung nach neuen Unterstützern sucht – welche Überlegungen sind da hilfreich?
Sie könnte sich zum Beispiel fragen, wer eine Nähe zum Thema hat und bei wem die Bereitschaft zum Spenden hoch ist. Das führt manchmal zu unerwarteten Ergebnissen.
Zum Beispiel, wenn eine Kita gewohnt ist, für Projekte die Eltern um Geld zu bitten. Dabei sind Eltern nicht unbedingt die, die viel spenden können, das sind eher die Großeltern. Sie könnten deshalb die bessere Zielgruppe für ein Spendenprojekt sein.
Sie selbst haben für das Johannes-Hospiz Münster Erfahrungen mit Spendenaktionen gesammelt. Was haben Sie dabei gelernt?
Dass es funktionieren kann, auch Spenden für den laufenden Betrieb der Einrichtung zusammenzubekommen. Wir haben dort vor einigen Jahren begonnen, mit Spendenbriefen und Mailings Menschen anzusprechen und aktiv um Unterstützung dafür zu bitten. Unter dem Motto „Schenken Sie Geborgenheit!“ habe ich ausgerechnet, wieviel wir dafür pro Tag benötigen, damit genügend Zeit bleibt für Pflege und Zuwendung, etwa durch zusätzliches Personal. So konnten wir Menschen deutlich machen, was sie mit ihrer Spende bewirken können. Und das hat nach und nach immer besser funktioniert.
Was raten Sie Gruppen, die sich unsicher sind?
Sich durchaus professionelle Hilfe zu holen, gerade wenn sie neue Vorhaben in Angriff nehmen oder wenig Vorerfahrungen mit Fundraising haben. In meiner Beratungsarbeit erlebe ich, dass Menschen gute Ideen mit großem Engagement verfolgen, sich bei Strategie und Umsetzung aber unsicher sind.
Da setzt auch das Angebot der DKM an. Es richtet sich an Gemeinden ebenso wie an Verbände oder karitative Einrichtungen. Etwa unser Beratungs- und Schulungsangebot, wo man zum Beispiel lernen kann, wie man Spendenbriefe formuliert, die ankommen. Oder unser DKM-Spendenportal, mit dem wir Kunden unterstützen und aufzeigen, was es im Online-Fundraising zu beachten gibt.