Themenwoche Katholikentag 2024 (2)

Ramelow über Thüringen: „Menschen hier essen nicht mit Hammer und Sichel“

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Mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow fremdeln manche Christen - weil er der Linkspartei angehört. Die wiederum fremdelt mit seinem Christsein, ebenso wie die konfessionslose Mehrheit im Freistaat. Doch Ramelow, der volksnahe und redegewandte Landesvater, stellt sich gern dieser Übersetzungsaufgabe, wie er es nennt. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtet er, warum er sich auf den Katholikentag freut, warum es die Friedensvision der Bibel braucht und warum er den Kirchen beim Thema AfD Respekt zollt.

Herr Ministerpräsident, Sie sind ja bekennender Protestant. Waren Sie auch mal auf einem Katholikentag?

Ja, sogar mehrfach. Ich habe schon vor Jahren als Vertreter der Linken die Stände der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf Katholikentagen begleitet. Anfangs fremdelte man zwar ein bisschen mit uns, aber das legte sich in Gesprächen meist sehr schnell. Wir hatten durchaus Spaß miteinander. Später saß ich dann bei Katholikentagen auch auf Podien.

Wie sieht denn Ihre Charme-Offensive aus, um Katholiken das Fremdeln mit einem Linken-Ministerpräsidenten zu nehmen?

Erstmal muss ich sagen: Viele Menschen in Thüringen fremdeln grundsätzlich mit so etwas wie dem Katholiken- oder Kirchentag. Denn Christen sind hier die absolute Minderheit. Es würde also auch nichts nützen, irgendwie aus taktischen Gründen Christ zu sein - denn die Mehrheit der Bevölkerung kann mit meinem Glauben nicht besonders viel anfangen.

Es gelingt mir aber immer wieder, mit Menschen darüber ins Gespräch zu kommen. Ich sage immer: Ich bin gläubiger Christ und weder schäme ich mich dafür, noch lasse ich mich darin beirren. Meine Form des Glaubens ist eine sehr persönliche Angelegenheit, aber dass ich diesen Glauben habe und mich ihm stelle, das ist wiederum öffentlich bekannt. Insofern ist es eine Übersetzungsaufgabe für alle Beteiligten.

Wie finden Sie denn den aktuellen Papst?

Immer noch super! Die Bescheidenheit und Bodenständigkeit, die er direkt bei Amtsantritt an den Tag gelegt hat, hat mich sehr beeindruckt. Es gibt nur eine kleine kritische Anmerkung mit einem gewissen Augenzwinkern von mir als Thüringer Ministerpräsident. Denn ein Teil des Prunks, mit dem Papst Franziskus fremdelt, kommt ja aus unserem Freistaat. Aber mit dem Papamobil, das in Thüringen mit Leder ausgestattet wurde, war er lange Zeit nicht zu sehen.

Na ja, der Erfurter Katholikentag kommt auch ohne viel Prunk aus. Worauf freuen Sie sich da?

Einfach, dass er hier da ist. Das ist ein tolles, breites Angebot, und ich freue mich sehr auf viele unterschiedliche Begegnungen. Außerdem finde ich klasse, dass er auch auf dem Petersberg stattfindet. Das ist für mich ja ein magischer Ort: Von dort ging die Christianisierung Mitteldeutschlands durch den großen Missionar Bonifatius aus. Da oben ist eine tolle romanische Klosterkirche - ein echter Geheimtipp von mir. Dort sollte man während des Katholikentags mal vorbeischauen.

Das Motto des Katholikentags lautet: „Zukunft hat der Mensch des Friedens“. Sie werden dazu einen Bibeldialog mit der evangelischen Kirchentagspräsidenten Kristin Jahn haben. Können Sie schon ein bisschen spoilern - wie sieht Ihre Friedensvision aus?

Wir leben in einer Zeit, in der sich die Spirale des Militarismus, des Chauvinismus und Imperialismus immer schneller dreht und überall zu spüren ist. In den gewaltsamen Konflikten wie beim Angriffskrieg auf die Ukraine kenne ich keinen Grund, warum ein überfallener Staat sich nicht verteidigen soll, aber ich kenne viele Gründe, warum ich Angst davor habe, wenn auf alles Militärische immer nur militärisch geantwortet wird.

Da hat die Bibel eine andere Vision: Die sagt ja nicht, geht weg und seid feige. Aber sie sagt auch nicht, auf Kaputtschlagen soll man mit Kaputtschlagen reagieren. Insofern werde ich da mein Dilemma beschreiben müssen, und das ist auch der Spannungsbogen, bei dem wir uns auch als Christen ehrlich machen müssen.

Ist es schwieriger geworden, für die christliche Friedensvision einzutreten?

Themenwoche Katholikentag 2024
Das katholische Groß-Event in Deutschland steht an. Zum Katholikentag in Erfurt werden rund 20.000 Teilnehmende erwartet. Sie können sich auf rund 500 Veranstaltungen freuen. Kirche+Leben gibt in dieser Woche einen Überblick über die Tage in der Hauptstadt Thüringens und veröffentlicht Interviews mit Ministerpräsident Bodo Ramelow, sowie mit ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp und mit dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr.

Ja, klar. Die einen stellen einen verächtlich in die Ecke und sagen, man sei naiv und dumm. Und die anderen sagen: Der ist feige. Mein Traum ist, dass in unserem Grundgesetz verankert wird, dass aus unserem Land, aus Deutschland keine Waffen irgendwohin geliefert werden. Das sollte Verfassungsrang haben, damit es da auch keine offenen Fragen mehr gibt.

Der Katholikentag findet in einer gesellschaftspolitisch aufgeheizten Situation statt. Die AfD mit ihrem Landesvorsitzenden Björn Höcke ist in Thüringen sehr stark. Sind Sie erleichtert, dass die Kirchen sich so deutlich gegen die AfD positioniert haben?

Mich hat die Klarheit positiv überrascht, und ich bin dankbar für die Genauigkeit der Argumentation. Da wird ja nicht einfach gesagt: „Die sind böse.“ Ich habe großen Respekt davor. Schon als vor Jahren die ersten großen AfD-Demos auf dem Erfurter Domplatz stattfanden und die katholische Gemeinde entschied, den Dom nicht zu beleuchten - damit finstere Reden nicht vom Glanz des Domes beschienen werden - das fand ich ein kraftvolles Zeichen. Auch, wenn das längst nicht alle Katholiken toll fanden, die Leitung war stets sehr klar.

Ein Großteil der Katholikentagbesucher kommt wahrscheinlich aus Westdeutschland. Kann das Event dazu beitragen, auch manches Ost-Vorteil zu überwinden?

Ja, ich denke schon. Auch hier essen die Menschen ja mit Messer und Gabel und nicht mit Hammer und Sichel. Aber ernsthaft: Glaube kann hier gelebt werden. Außerdem ist Erfurt und Thüringen insgesamt traumhaft schön. Ich sage immer gern: Schauen Sie genau hin, dann sehen Sie, was wir mit Ihrem Soli gemacht haben. Aber denken Sie bitte dran: Alle Ostdeutschen haben auch Soli bezahlt.

Ich hoffe, dass am Ende des Katholikentags bei vielen Besuchern die positive Sicht überwiegt und sie sich fragen, warum eigentlich über diesen Teil Deutschlands immer so negativ geredet wird. Klar ist: Wir wollen und werden gute Gastgeber sein.

Besuchen Sie uns beim Katholikentag!
Auch Kirche+Leben ist natürlich beim Treffen in Erfurt dabei. Zum einen zur aktuellen Berichterstattung, zum anderen mit einem Stand im Zelt der Nordbistümer Münster, Osnabrück, Hildesheim und Hamburg - zentral gelegen auf der Kirchenmeile auf dem Domplatz (DP-B-14). Schauen Sie gern rein, Chefredakteur Markus Nolte freut sich auf Sie!

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