Ulrich Waschki zu den Aufgaben der Kirche

Raus aus der Selbstbeschäftigung!

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Viele Menschen treten aus der Kirche aus. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber vor allem ist es eine Glaubenskrise. Es braucht eine radikale Neubesinnung der Kirche, erklärt Journalist Ulrich Waschki in seinem Gast-Kommentar.

Ende des Monats veröffent­licht die Deutsche Bischofskonferenz wieder die jährliche Kirchenstatistik. Die Zahlen werden kein Grund zur Freude sein. Massenhaft treten Menschen aus der Kirche aus, der Gottesdienstbesuch hat sich nach der Corona-Pandemie nicht mehr erholt.

Wer einzig den Reformstau in der katholischen Kirche für diese Entwicklung verantwortlich macht, liegt falsch. Denn in der evangelischen Kirche sind die Zahlen nicht besser – obwohl es dort Frauen in geistlichen Ämtern, Segensfeiern für Homosexuelle und eine umfangreiche Mitbestimmung des Kirchenvolks gibt. Das soll kein Argument gegen die geforderten Reformen sein, sie sind wichtig und notwendig. Doch ist die Krise der Kirchen vor allem eine Glaubenskrise. „Ich glaub’ nichts, mir fehlt nichts“, ist eben das Credo vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Menschen mit Gott in Berührung bringen

Der Autor:
Ulrich Waschki ist Geschäftsführer und Chefredakteur der Verlagsgruppe Bistumspresse in Osnabrück. Er stammt aus Rheine.

Diesen Trend wird man in einer freiheitlich-säkularen Gesellschaft nicht umkehren können. Und dennoch gilt: Unsere Botschaft ist zu wertvoll, zu lebensdienlich, um sie nicht möglichst vielen Menschen bekannt zu machen. Dazu müssen wir rauskommen aus der Selbstbeschäftigung, auch vor Ort. Es geht um eine Konzentration auf das Wesentliche. Was ist die Aufgabe der Kirche und ihrer Gemeinden? Es geht doch nicht darum, die eigene Institution zu erhalten, die Fronleichnamsprozession, den Kirchenchor oder gar das Pfarrheim zu retten, sondern Menschen mit Gott in Berührung zu bringen und das Reich Gottes auf Erden spürbar werden zu lassen. Es geht um eine radikale Hinwendung zu den Menschen. Jesus fragt: „Was willst du, dass ich für dich tue?“ (Lk 18,41).

Das geschieht in vielen Bereichen der Seelsorge vorbildlich, etwa in den Krankenhäusern oder rund um Beerdigungen. Aber vielfach ist doch Luft nach oben – wo sind etwa die Plakate, mit denen Gesprächsangebote für Menschen in seelischer Not angeboten werden? Wo orientieren sich Gottesdienste und Gebetsangebote wirklich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht vor allem an Traditionen oder liturgischen Vorschriften?

„Was willst du, dass ich für dich tue?“ – du, mein Nachbar, mein Ortsteil, mein Dorf. „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts“, hat der verstorbene Bischof Jacques Gaillot gesagt. Das schlechte Zeugnis, das die Statistik der Kirche wieder ausstellen wird, sollte Anlass sein für Demut und eine radikale Neubesinnung auf das, wofür die Kirche wirklich da ist.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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