Bürgermeister und Theologe Dietmar Thönnes zur Zukunft der Kirche

Es braucht verrückte Ideen, damit Menschen in der Kirche bleiben

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Gehen oder bleiben? Diese Frage treibt Dietmar Thönnes, Theologe und Bürgermeister von Nottuln, um. In seinem Gast-Kommentar erklärt er, warum er bleibt.

Täglich bekomme ich als Bürgermeister die Kirchenaustritte per Post vom Amtsgericht mitgeteilt – oft von Menschen, die ich kenne. Immer versetzt es mir einen Stich. Gleichzeitig verspüre ich den Drang, es ihnen gleich zu tun. Was hält mich davon ab?

Vor vielen Jahren haben mir die Aussagen des jungen Bischofs Franz-Josef Overbeck bei Anne Will den Boden unter den Füßen weggezogen. Schwule Menschen in der Kirche? Mir fallen viele Verletzungen durch diese geliebte und verhasste Organisation ein, die mein Leben immer wieder ungeplant verändert haben.

Weltkirche als „Totschlagargument“

Mein Bruder hat mich damals ermutigt: „Lass dir von niemandem, auch nicht von einem Bischof, deinen Platz in der Kirche zuweisen!“ Dieser Gedanke hat mich über viele Jahre gerettet. Kirche, das bin auch ich, so wie ich bin.

Und trotzdem bleiben Zweifel und Faszination unverbunden nebeneinander stehen. Das Aufgehobensein in einer Gemeinde ist mir wichtig. Ist das Kirche von unten? Als Theologe ist mir ein solches Kirchenbild vertraut.

Bei allen Zweifeln erlebe ich aber auch Ermutigung. Der über 80 Jahre alte Pensionär unserer Pfarrei hat eine Mail mit zukunftsweisenden Gedanken geschrieben: Das bisherige Priestermodell und der Pflichtzölibat sind ein Auslaufmodell. Schon lange schreit die absolutistische „Regierungsform“ der Bischöfe, einschließlich des Bischofs von Rom, nach Veränderung. Widerstandslos haben sich Bischöfe Rechte, die ihnen vom Konzil zugesprochen wurden, stehlen lassen. Der Begriff Weltkirche wird gerne als „Totschlagargument“ benutzt, wenn jemand von Reformen oder von Veränderung redet.

Die Kraft des Heiligen Geistes

Der Autor
Dietmar Thönnes ist seit 2020 Bürgermeister der Gemeinde Nottuln. Bei seiner Wahl wurde der parteilose Politiker von CDU, Grünen und FDP unterstützt. Der promovierte Theologe hat außerdem Musik, Germanistik, Pädagogik und Philosophie studiert.

Dieser Priester im Ruhestand hat Ideen, traut dem Heiligen Geist Überraschungen zu. Er glaubt, dass die Idee Jesu vom Reich Gottes ein wunderbares Angebot für Jung und Alt ist, eine Alternative zur Überheblichkeit brutaler Egoisten.

Kann die Leitung der Weltkirche von einem Gremium von zwölf Personen übernommen werden? Sechs Frauen und sechs Männer aus verschiedenen Erdteilen – gewählt von einem internationalen Gremium für jeweils zehn Jahre? Und im Bistum gibt es ein von einem Diözesangremium gewähltes Dreierteam, dem mindestens eine Frau angehört…?

Sind das verrückte Ideen oder ist es eine Chance auf Zukunft? In jedem Fall für mich ein Hoffnungszeichen und ein guter Grund, nicht auszutreten.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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