Erste Pfarreien legen Zahlen vor – Stichprobe von „Kirche-und-Leben.de“

Kirchenaustritte im Bistum Münster 2022 vielerorts verdoppelt

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Erneut erheblich gestiegen ist offenbar die Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Münster. Eine Stichprobe von „Kirche-und-Leben.de“ ergab, dass die Werte 2022 in mehreren Pfarreien doppelt so hoch waren wie 2021, als die Rekordzahl von 22.604 Kirchenaustritten erreicht wurde Offizielle Zahlen für das Bistum gibt es im Sommer.

Erneut erheblich gestiegen ist offenbar die Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Münster. Eine Stichprobe von „Kirche-und-Leben.de“ ergab, dass die Werte 2022 in mehreren Pfarreien doppelt so hoch waren wie 2021, als die Rekordzahl von 22.604 Kirchenaustritten im Bistum Münster erreicht wurde.

Offizielle Zahlen für 2022 veröffentlichen die deutschen Diözesen im Sommer. Aus der Bischöflichen Pressestelle Münster hieß es auf Anfrage, bistumsweite Zahlen werde man zuvor nicht nennen.

Verdopplung etwa in Drensteinfurt, Kleve und Dinklage

Viele Pfarreien im Bistum legen bereits zu Jahresbeginn Zahlen vor – bei Neujahrsempfängen für die Gemeindemitglieder, in ihren wöchentlichen Mitteilungen oder auf ihren Internetseiten. So zählte St. Regina Drensteinfurt im Kreisdekanat Warendorf 2022 laut Pfarrbrief 261 Austritte. Im Jahr zuvor seien es 118 gewesen, damit hat sich der Wert mehr als verdoppelt.

Gleiches gilt für die Propsteipfarrei St. Mariä Himmelfahrt in Kleve am Niederrhein. Sie meldet im Internet 221 Austritte, 2021 seien es 93 gewesen. Mehr als verdoppelt hat sich die Zahl auch in St. Catharina Dinklage im Oldenburger Land. Im Pfarrbrief werden 113 Austritte angegeben – nach 46 im Jahr 2021.

Erhebliche Zuwächse in Velen, Greven, Münster und Heiden

Nahezu verdoppelt hat sich die Zahl der Katholiken, die ihre Kirche verließen, in Velen im Kreisdekanat Borken: Die Pfarrei St. Peter und Paul meldet 206 Austritte für 2022 – nach 119 im Vorjahr. St. Martinus Greven im Kreisdekanat Steinfurt gibt gegenüber der Lokalzeitung „Westfälische Nachrichten“ 413 Austritte an – 2021 seien es 212 gewesen, im Jahr 2017 noch 91.

Ähnliche Steigerungen verzeichnet offenbar Münster. Die Pfarrei St. Mauritz weist in ihrer Statistik vor 2017 weniger als 200 Kirchenaustritte pro Jahr aus, ergab eine Anfrage von „Kirche-und-Leben.de“. 2019 wurden 358 Austritte gezählt, 2021 dann 503 und 2022 nach heutigem Stand 838, einzelne Nachmeldungen seien denkbar, hieß es. Das bedeutet eine Vervierfachung in fünf Jahren.

St. Liudger im Westen von Münster meldet im Pfarrbrief 420 Austritte für 2022; ein Jahr zuvor seien es 328 gewesen. Auf niedrigerem Niveau und doch deutlich ist der Anstieg in St. Georg in Heiden im Kreisdekanat Borken. Die Pfarrei berichtet von 84 Austritten 2022 – nach 53 im Vorjahr.

Missbrauchsstudie dürfte ein Faktor sein

Austrittsgründe weisen die Pfarrstatistiken nicht aus. Pfarrer berichten gegenüber „Kirche-und-Leben.de“ aber aus ihren Gesprächen mit Ausgetretenen. Viele hätten die Kirche verlassen, weil sie ihr keine Reformen zutrauen, weil sie an ihrem Willen zur Aufarbeitung der Fälle sexualisierter Gewalt zweifeln und weil sie die Organisation deswegen nicht länger mit Kirchensteuern unterstützen wollen.

Im Bistum Münster dürfte 2022 der Missbrauchsskandal als Austritts-Beschleuniger gewirkt haben. Im Juni hatten Forschende der Universität Münster eine Studie vorgelegt, die die Fälle seit dem Zweiten Weltkrieg darstellt und einordnet. Die Wissenschaftler halten allen münsterschen Bischöfen seit 1945 Versagen im Umgang mit Missbrauch und zu wenig Mitgefühl mit Betroffenen vor, zum Teil auch die Vertuschung von Fällen.

Freiburger Erzbischof nennt bereits Zahlen

Vorläufige Austrittszahlen für 2022 nannte als erster deutscher Bischof der Freiburger Erzbischof Stephan Burger. In seiner Diözese hätten rund 42.500 Menschen die katholische Kirche verlassen – nach etwa 30.000 im Jahr zuvor.

Im Erzbistum Freiburg soll im April eine Studie zu sexualisierter Gewalt erscheinen. Burger äußerte die Hoffnung, sie könne eine „Wende“ in der Vertrauenskrise in seinem Bistum einleiten, weil sie Verantwortlichkeiten und systemische Ursachen benenne. Eine Trendwende bei den Kirchenaustritten erwarten Beobachter zunächst nicht – wie die Stichprobe im Bistum Münster zeigt, wo eine Studie bereits vorliegt.

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