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Mit großem Aufwand bereiten sich Jugendliche der Johannes-Gutenberg-Realschule in Münster-Hiltrup auf ihre Friedenstour im Juni vor. Sie fahren mit dem Rad von Auschwitz nach Berlin. Die Idee hatte Religionslehrer Tobias Hoppmann.
Anspruchsvoll, sportlich, kompakt: 650 Kilometer in neun Tagen mit dem Fahrrad, dazu wenige weitere Tage für die An- und Abreise, Besichtigungen, Führungen, Gespräche, Austausch. 42 Teilnehmer – Schülerinnen und Schüler der Johannes-Gutenberg-Realschule in Münster-Hiltrup, Lehrer und Betreuer – machen sich im Juni auf eine Friedenstour von der Stadt Oświęcim in die deutsche Hauptstadt Berlin. Im polnischen Oświęcim liegt das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz.
Die Jugendlichen sind zwischen 14 und 16 Jahren alt. Carolin, eine von ihnen, beschreibt, wie sie die Tour persönlich sieht: „Wir wollen den Frieden in die Welt bringen. Wir möchten die Orte sehen, wo kein Friede war, und aufmerksam auf die Menschen zugehen. Und wir möchten lernen, mit Menschen, die anders sind, umzugehen.“
Friedenstour mit Küchenbegleitung
Das Ganze hat sich Tobias Hoppmann ausgedacht: 41 Jahre jung, Lehrer für katholische Religion, Sport und Deutsch an der Johannes-Gutenberg-Schule und Berater für Schulsport bei der Bezirksregierung Münster. Er macht das nicht zum ersten Mal. 2012 war er mit Schülern auf Friedenstour in London, 2015 radelte er mit ihnen von Münster nach Paris und Orleans.
Frühere Tour-Teilnehmer haben den Verein „Bewegung bildet – Münster macht‘s möglich“ gegründet. Der sorgt auch diesmal für die Logistik: Begleitfahrzeuge, einen küchenfähigen Sprinter, der vom Frühstück bis Abendessen alles anbieten kann, Spenden-Akquise, ärztliche Betreuung. Eine Lehrerin und eine polnischsprachige Schülerin des Albertus-Magnus-Gymnasiums Beckum ergänzen das Team.
Stationen sind Auschwitz, Birkenau und Gleiwitz
Die Gruppe wird die Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau kennenlernen und den Radiosender in Gliwice (Gleiwitz) besuchen. Der Ort gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zu Schlesien. 1939, kurz vor Kriegsbeginn, täuschten Nationalsozialisten einen Überfall auf den Sender durch polnische Soldaten vor, indem sie in deren Uniformen schlüpften.
Weitere Stationen der Friedensfahrt sind Opole, Olawa, Prochowice, Szprotawa, Gubin und Fürstenwalde. In Berlin besuchen die Schüler das Holocaust-Denkmal und treffen die jüdische Zeitzeugin Rahel Mann.
Stadt Münster und polnische Gemeinde helfen beim Planen
In kleinen Schülergruppen recherchieren die Jugendlichen aus den Klassen 9, 10 und 11 gerade wichtige Informationen zu den einzelnen Orten. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) hat als Schirmherr der Tour an alle Bürgermeister auf der Strecke einen Brief verfasst. Malgorzata Wojcik, Referentin bei der Katholischen Polnischen Mission in Münster, nimmt zurzeit mit Bistümern, Schulen, Pfarreien und Stadtverwaltungen Kontakt auf, um Treffen mit polnischen Jugendlichen und Unterkünfte in Sporthallen und Kirchengemeinden zu organisieren.
111 Euro zahlen die Schüler pro Kopf für die Fahrt. Vieles ist noch in der Planung. „Am Ende wird es klappen“, ist Hoppmann sicher. „Und die Schüler werden zu Multiplikatoren.“
Selbst erleben, um zu verstehen
„In 80 Jahren werden sie alles vergessen haben“, zitiert er einen Satz des jüdischen Mädchens Anne Frank. Er wolle mit der Fahrt dem Vergessen entgegenwirken. Seine Schüler würden die Zeit des Nationalsozialismus' nur aus Lehrbüchern kennen. „Doch lesen ist das eine“, sagt Schülerin Zoe. „Ich muss es selbst erleben, um es zu verstehen.“
Zwischen 62 und 94 Kilometern werden die Radfahrer täglich absolvieren. „Gefahren wird teils in Zweier-Reihen. Die Strecke hat eine Steigerung von nicht mehr als vier Prozent“, sagt Hoppmann. Die Räder würden aus Österreich nach Oświęcim geliefert, die Schüler kommen mit dem Bus dorthin.
Schulische Sporthelferinnen und Sporthelfer wie Tim und Chiara bereiten Spiele vor, um den Teamgeist zu stärken und die Motivation aufrechtzuerhalten. „Auf so einer Radtour müssen sich die Jugendlichen gegenseitig stützen und zu einer Gemeinschaft werden“, sagt Hoppmann. „Das ist gelebtes Christentum.“