Andreas Odenthal über die Ermahnung des Vatikans zur Sakramentenspendung

Roms fixierter Tauf-Text: Vorsicht vor magischen Sakral-Formeln!

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Rom hat entschieden, eine Taufe mit einer in den Plural gesetzten Taufformel sei ungültig. Ein Blick in die Liturgiegeschichte zeigt allerdings, dass eine solche Entscheidung historisch auf wackeligen Beinen steht, meint der Bonner Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal.

Um es gleich vorweg zu sagen: Wer auf dem Standpunkt steht, die korrekte trinitarische Formel: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ sei für alle Zeiten der Christenheit notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit der Taufe, hat ein großes Problem. Denn diese indikative (dem Täufling „zusagende“) Taufformel gibt es erst seit dem 8. Jahrhundert: Im Jahre 719 wird Bonifatius von Papst Gregor II. auf diese neue Formel verpflichtet. Bis dahin geschah die Taufe dialogisch, bis in die Kernformeln hinein. Der Täufling wurde nach seinem Glauben gefragt: Glaubst du an Gott den Vater…? Glaubst du an Jesus Christus…? Glaubst du an den Heiligen Geist…? Jedes Mal antwortete er „Ich glaube“ und wurde untergetaucht oder mit dem Taufwasser übergossen.

Die neue Formel scheint hier eine größere Sicherheit zu bringen: Ein Rechtsakt wird gesetzt, doch in dieser Formel alleine durch den Priester, was auf Kosten des Glaubensbekenntnisses durch den Täufling geht. Dieses ist zwar nach wie vor Teil der Taufliturgie, zählt aber nur noch als Voraussetzung und gehört nicht mehr zum sakramentlichen Kern. 

“Ich taufe dich im Namen Vaterland”

Mit der neuen indikativen Taufformel wollte man damals vielen Problemen im Kontext der Heidenmission entgehen, schuf aber andere: Bonifatius fragt beim Papst an, ob denn eine Taufe gültig sei, bei der ein Priester falsches Latein spricht. Das Beispiel, das Bonifatius bringt, muss sich – übersetzt – so angehört haben: „Ich taufe dich im Namen Vaterland und der Tochter und des heiligen Geistes“ – im Klartext: kompletter Unsinn, weil der Priester kein Latein kann. Bonifatius will das sanieren und erwägt eine zweite Taufe, diesmal aber richtig. 

Die Antwort von Papst Zacharias vom 1. Juli 746 ist bemerkenswert: Er könne Bonifatius nicht zustimmen, dass die Taufe wiederholt werden müsse. Als Grund nennt er, es ginge ja nicht um eine Irrlehre oder Ketzerei, sondern lediglich um die Unkenntnis des Lateins – so wie es augenscheinlich bei jenem Priester in den USA auch nicht um einen bösen Willen ging, als er aus dem „Ich taufe dich…“ ein „Wir taufen dich…“ machte.

Wer tauft denn überhaupt?

Der Autor:
Andreas Odenthal ist Professor für Liturgiewissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.

An diesem Punkt stellt sich eine grundlegende Frage: Wer tauft denn überhaupt? Das „Ich“ des Priesters? Das „Wir“ der Gemeinde? Oder die Kirche als Ganze? Die Antwort der Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils ist bemerkenswert: „Gegenwärtig ist er (Christus) mit seiner Kraft in den Sakramenten, sodass, wenn immer einer tauft, Christus selber tauft“ (Artikel 7). Jeder Taufende tut dies also stellvertretend für Christus – und taufen kann im Notfall jeder Mensch, auch der Ungläubige. 

Das muss eigens festgehalten werden: Jeder Mensch, der tauft, ob Mann oder Frau, ob gläubig oder nicht, repräsentiert dann Christus. Die Liturgiekonstitution beruft sich hier auf Augustinus: In seinem Traktat zum Johannesevangelium macht er deutlich, dass es eigentlich egal ist, wer die Taufe real vollzieht, mag es Petrus oder Paulus oder im Extremfall gar der Verräter Judas Iskarioth sein – so Augustinus. Denn eigentlich ist es immer Christus selbst, der tauft.

Magische Sakralformeln

Papst Zacharias konnte sich mit seiner Position letztlich nicht durchsetzen: Im Mittelalter erstarren die sakramentlichen Worte zur magischen Sakralformel, die korrekt gesprochen werden muss, soll das Sakrament gültig sein. Aber Sakramente sind etwas Anderes als eine magische Formel, nämlich Feier des Glaubens, der im Dialog zwischen Amtsträger und Gemeinde zum Bekenntnis wird und im Ritual die Gegenwart des Gekreuzigt-Auferstandenen schafft. 

Ob dann ein in guter Absicht getätigtes falsches Wort wirklich so ins Gewicht fällt?

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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