Themenwoche zur Jugendumfrage „Sag an!“ im Bistum Münster (4)

„Sag an!“: Experten fordern Jugenddiözesanrat und Machtabgabe

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Die Jugendumfrage „Sag an!“ im Bistum Münster zeigt, dass seitens der Kirche Handlungsbedarf besteht. Drei Experten ordnen die Ergebnisse ein und stellen konkrete Forderungen für die Zukunft auf.

Theologin Daniela Kornek: Stärkung der Jugendpastoral notwendig

Für Daniela Kornek wird deutlich, dass die Studie eine lebensnahe Begleitung der Jugendlichen „geradezu herausfordert“. Und dass es vor allem an der Kirche ist, junge Menschen in ihrem Wunsch nach glücklich machenden Erfahrungen und in ihren Ängsten ernst zu nehmen. Dabei sei aber ein Perspektivwechsel wichtig, weil dieses Zugehen auf die Jugend nicht mehr nur die „schon immer kirchenkritischen oder -fernen Familien, sondern sehr deutlich auch die bis dato stets verlässliche Klientel“ betrifft.

Notwendig ist es in ihren Augen deshalb, Strukturen und Angebote für beide Gruppen zu erhalten und auszubauen. Aus ihrer Sicht ist dafür eine verbindliche weitere Stärkung von Jugendpastoral in den Pfarreien, in Verbänden sowie vor allem in der Schulpastoral „dringend notwendig und zwingend erforderlich“. Dabei sei eine unterstützende und bestärkende, klar vorgelebte und deutlich geäußerte Haltung wichtig: „Wir als Bistum Münster erkennen den unschätzbaren Wert unserer jugend- und schulpastoralen Angebote für jetzt und die Zukunft an und werden sie daher in allen Pastoralen Räumen und an allen Orten des (kirchlichen) Lebens weiter unterstützen und begleiten.“

Diözesanjugendseelsorger Ralf Meyer: Jugenddiözesanrat einrichten

Der Burgkaplan und Diözesanjugendseelsorger Ralf Meyer nennt in seiner Einschätzung eine Reihe konkreter Handlungsmöglichkeiten. So sei es denkbar, mit der Einrichtung von „Wohngemeinschaften für Suchende“ Räume zu schaffen, in denen eine Auseinandersetzung mit persönlichen Situationen möglich wäre. In der Qualifizierung des Seelsorgepersonals in den Gemeinden für jugendgemäße multimediale Angebote und passende Kommunikationsformen sieht er eine weitere wichtige Herausforderung. Auch „eine Art Newsletter für Seelsorgende, in denen über aktuelle Trends und Themen der Jugendlichen berichtet wird“, könne dabei hilfreich sein.

Zudem regt er die Gründung eines Jugenddiözesanrates und den Einsatz eines Jugendweihbischofs für das Bistum an. Auch müsse es in jeder Gemeinde mindestens einen Jugendraum als ortsnahen Anlaufpunkt geben. Die Pfarreien müssten dabei finanziell unterstützt werden, ihre Räume Computer- und Internet-technisch ausreichend auszustatten.

Meyer sieht eine weitere Möglichkeit, junge Menschen im Glauben zu begegnen, in der Entwicklung von „Sakramentalien zur Stärkung des Jungen Erwachsenen an Lebenswendepunkten wie Schulabschluss, Ausbildung oder Beruf“. Dies könne in Form von Segnungs- und Sendungsfeiern geschehen.

Sportjugend-Vorstand Julian Lagemann fordert Machtabgabe in der Kirche

Die Rückmeldungen der Studie „Sag an!“ gestalten sich für Julian Lagemann heterogen. „Es gibt nicht die eine Jugend, die mittels einer gemeinsamen Ansprache erreicht werden kann.“ Es sei deshalb essenziell, unterschiedliche altersgemäße Ansprache und Mitsprache aller Beteiligten zu ermöglichen. „Denn nur eine gemeinsame Kirche in Christus kann in Zukunft bestehen.“

Das Einwirken auf gesellschaftliche Prozesse sei vielen der Jugendlichen wichtig. Dafür brauche es sowohl Orte des Austausches als auch die öffentliche Wahrnehmung der eigenen christlichen und politischen Haltung. Die Mitsprache junger Menschen müsse aber auch innerhalb der Kirche gesichert werden. Jugendpastoral sei dabei als „Sprachrohr junger Menschen“ zu verstehen. Bei ihrer Beteiligung müsse es unweigerlich auch um Machtabgabe in bestehenden Strukturen gehen. „Denn eine Zentrierung auf einzelne Machtpositionen und deren Ausführende steht dem Ziel der Mitsprache als absoluter Punkt gegenüber.“

Zu den Experten:
Daniela Kornek ist Theologin und Referentin in der Hauptabteilung Seelsorge des BGV Münster in der Fachstelle „Pastorale Strategie und theologische Grundsatzfragen“.
Ralf Meyer ist Burgkaplan in der katholischen Bildungsstätte Jugendburg Gemen und Diözesanjugendseelsorger im Bistum Münster. Er regt unter anderem die Gründung eines Jugenddiözesanrates an.
Julian Lagemann ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Sportjugend und auf verschiedenen Ebenen in der Jugendpolitik aktiv. Er fordert in den bestehenden Strukturen der Kirche eine Machtabgabe.

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