Kirchenrechtler kritisiert Bistum Münster für Untätigkeit

Schüller: Bischöfe müssen AfD-Ausschluss auch rechtlich fixieren

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Wer AfD-Positionen öffentlich vertritt, kann weder ehren- noch hauptamtlich in der Kirche tätig sein, sagen die Bischöfe. Doch für Konsequenzen fehlt Rechtssicherheit, sagt Kirchenrechtler Thomas Schüller im Gespräch mit Kirche+Leben. Und er kritisiert das Bistum Münster.

Einstimmig hatten sich die katholischen Bischöfe in einer Erklärung positioniert: Wegen des christlichen Menschenbilds seien für Gläubige extremistische Parteien nicht wählbar; die AfD ist ausdrücklich genannt. Wer öffentlich ihre Positionen vertrete, könne weder haupt- noch ehrenamtlich in der Kirche tätig sein. Doch was folgt daraus für Engagierte in Kirchen-Gremien wie Pfarreirat und Kirchenvorstand?

Im Bistum Münster ist das bisher nicht geregelt – und es sieht aus, als bliebe es dabei. Die Satzung für Pfarreiräte von 2017 enthält keine Vorschriften; sie zu ergänzen sei „derzeit nicht geplant“, so Anke Lucht von der Bischöflichen Pressestelle auf Kirche+Leben-Anfrage. „Haltungen lassen sich kaum über Satzungen herstellen oder fördern“, sagt sie.

„Auch kirchliches Arbeitsrecht beurteilt Haltungen“

Thomas Schüller, Professor für katholisches Kirchenrecht an der Universität Münster, kritisiert das im Gespräch mit Kirche+Leben als „vorgeschobenes Argument, um nicht tätig zu werden, obwohl man es müsste“.

Der Kirchenrechtler verweist auf die Grundordnung des katholischen Arbeitsrechts. Die Kirche in Deutschland beurteile seit Jahrzehnten und bis heute „Haltungen“ von Menschen und, ob sie als kirchliche Mitarbeitende infrage kämen.

Was die Grundordnung verbietet

Der Extremismus-Text der Bischöfe sei zunächst nur eine „politische Erklärung“, so Schüller. Er ergänzt nicht nur mit Blick auf das Bistum Münster: „Nun braucht es den Willen, sie umzusetzen.“ Und zwar mit rechtlichen Regelungen.

Das sei „kein Zauberwerk“. Der Kirchenrechtler verweist erneut auf die Grundordnung. In Artikel 7 Absatz 3 heißt es, „kirchenfeindliche Betätigungen“, die die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigen könnten, könnten „rechtlich geahndet werden“.

Genannt werden Handlungen wie „das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. die Propagierung der Abtreibung oder von Fremdenhass)“, ferner das Propagieren von „weltanschaulichen Überzeugungen, die im Widerspruch zu katholischen Glaubensinhalten stehen“.

„Formulierungen übernehmen“

„Es geht mir nicht um einen Gesinnungs-TÜV“, betont Schüller. Menschen dürften AfD wählen und ihr als Mitglied angehören. Sofern sie sich aber „nachweisbar öffentlich“ im kirchlichen Zusammenhang problematisch äußern, sei eine Grenze überschritten. Zum Beispiel, wenn jemand ausländische Priester beleidige.

Dem Experten zufolge braucht es drei Schritte: Die Formulierung des Artikels 7 der Grundordnung müsse in der zentralen Satzung für Pfarreiräte, in der Satzung des Diözesanrats und anderer Gremien verankert werden. Zum einen dort, wo es um die Wählbarkeit von Kandidierenden gehe. Zum anderen dort, wo der Entzug des Mandats geregelt ist. Drittens brauche es eine Stelle, wo eine Beschwerde gegen den Ausschluss möglich sei.

Regelungen seien auch dort nötig, wo es überdiözesane Vorgaben gebe. Die Wählbarkeit in den Kirchenvorstand regelt in Nordrhein-Westfalen das „Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens“. Schüller betont, jeder Bischof sei frei, ergänzende Regeln für sein Bistum festzusetzen.

Umgang mit Priestern und Hauptamtlichen

Klar geregelt ist Schüller zufolge der Umgang mit Hauptamtlichen, die sich menschenfeindlich äußern. Für Laien-Beschäftigte und Seelsorgende wie Pastoralreferentinnen und -referenten greife das Dienstrecht mit den genannten Vorgaben der Grundordnung.

Bei Priestern und Diakonen habe ein Bischof weitere Zugriffsrechte, so der Kirchenrechtler. Es sei Priestern zwar erlaubt, einer Partei anzugehören, sie dürften aber keine politischen Ämter bekleiden. Für öffentliche Äußerungen gelte dasselbe wie für Laien.

„Bei Klerikern wird der Bischof im Gespräch sicher an das Gehorsamsversprechen der Weihe erinnern“, sagt Schüller. Ein weiterer Schritt wäre bei Zuwiderhandlung die Suspendierung.

So machen es Würzburg und Berlin

Im Bistum Würzburg ist die Satzung für Pfarrgemeinderäte bereits 2021 angepasst worden. Dort heißt es, ein Mitglied könne „ausgeschlossen werden, wenn es rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenrechtswidrige Auffassungen öffentlich kundgibt oder vertritt oder Mitglied von Organisationen und Parteien ist oder diese unterstützt, die diese Auffassungen vertreten“.

Beschrieben ist auch das Verfahren. Der Pfarrgemeinderat kann einen Ausschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit beantragen. Nachdem die „Sach- und Rechtslage mit der Gemeindeberatung bzw. der diözesanen Schlichtungsstelle für pastorale Angelegenheiten erörtert worden ist“, entscheide der Bischof.

Und in der Wahlordnung für Pfarreiräte im Erzbistum Berlin heißt es: „Die Zugehörigkeit zu Gemeinde- und Pfarreiräten ist nicht vereinbar mit der Mitgliedschaft in oder der tätigen Unterstützung von Gruppierungen, Organisationen oder Parteien, die menschenfeindliche Ziele verfolgen.“

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