600 Menschen bei Segnung „für alle sich liebenden Paare“

Segnungsfeier am Kölner Dom: Emotional, spirituell und provokant

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Der mit Spannung erwartete Segnungsgottesdienst „für alle sich liebenden Paare“ vor dem Kölner Dom wurde in überraschend ruhiger, geistlicher Atmosphäre gefeiert. Am Rande protestierten konservative und antifaschistische Gruppen, zum Schluss gab es einen Appell.

Mit Spannung erwartet war der Segnungsgottesdienst „für alle sich liebenden Paare“ neben dem Kölner Dom. Rund 600 Menschen nahmen am Abend auf dem geschäftigen Platz zwischen Hauptbahnhof und Kathedrale in einem großen Rund an der Feier teil. Den angebotenen persönlichen Segen auch für queere und wiederverheiratete Paare nahmen junge und alte, hetero- und homosexuelle Partner entgegen – trotz des Trubels für viele ein kurzer, intimer, emotional berührender Moment.

„Wir sind hier mitten im Geschehen“

Im Vorfeld war bereits bekannt, dass die Veranstaltung Konflikte bringen würde. Einige Meter weiter schirmte die Polizei zwei gegeneinander anbrüllende Gruppen ab. Die einen, rund 40 Aktive der konservativen „TFP Studenten Aktion“, beteten über Megaphon lautstark den Schmerzhaften Rosenkranz. Ihnen gegenüber skandierten ebenso viele Mitglieder einer antifaschistischen Bewegung nicht weniger laut ihren Protest dagegen.

Der überraschend ruhigen, geistlichen Atmosphäre der Segensfeier tat das kaum Abbruch. „Sie hören es, wir sind hier mitten im Geschehen“, sagte die Kölner Gemeindereferentin Marianne Arndt, die die Feier maßgeblich vorbereitet hatte.  

Stimmen aus Mädchenchor am Dom: Die Gedanken sind frei

Dem Lärm im Hintergrund setzte der Kölner Jugendchor St. Stephan Musik entgegen. Rein akustisch zeigte sich so die ganze Bandbreite des Katholischen: Die einen sangen „Over the rainbow“ und „All you need is love“, die anderen riefen „Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat“.

Besonders mutig, so kommentierte Marianne Arndt, war der im Geheimen geplante und dann mit stürmischem Applaus bedachte Auftritt von acht Sängerinnen des Mädchenchors am Kölner Dom mit dem Volkslied „Die Gedanken sind frei“. Der Jugendchor St. Stephan brachte seine Kritik mit seinem auf youtube vielbeachteten Lied vom „Bodenpersonal“ der Kirche zum Ausdruck.

Termin und Ort der Feier boten Protestpotenzial

Als reine Protestveranstaltung wollte die Vorbereitungsgruppe, bestehend aus rund einem Dutzend Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus dem Erzbistum Köln, die Feier ausdrücklich nicht verstanden wissen. Protestpotenzial war dennoch erkennbar: Etwa die Wahl des Termins am 20. September, dem Jahrestag der Amtseinführung Rainer Maria Woelkis als Erzbischof von Köln, und die Wahl des Ortes in unmittelbarer Nähe zum Kölner Dom.

Auch die „AG Regenbogenkirche für alle“ der Pfarrei St. Lambertus Mettmann war anwesend. Ihr erster Segnungsgottesdienst im vergangenen März hatte erst zu den Verwerfungen zwischen der Bistumsleitung und Pfarrer Herbert Ullmann geführt. Nach einer anonymen Meldung an den Vatikan hatte Generalvikar Guido Assmann im Auftrag von Erzbischof Rainer Maria Woelki dem Pfarrer weitere Mitwirkung an Queer-Segnungen untersagt.

Regenbogenkirche in Mettmann gibt nicht auf

Die Regenbogen-AG denkt nicht ans Aufgeben: Eine zweite Segnung „für alle sich liebenden Paare“ war kurzerhand in eine evangelische Kirche verlegt worden. Und jüngst beim Pfarrfest bot die Gruppe alkoholfreie Cocktails namens „Jesus loves you“ und einen giftgrünen „Eiskalten Bischof“ an.

Generalvikar Assmann dagegen gab sich kurz vor der Feier versöhnlich: Auch bei Uneinigkeit sei man doch gemeinsam als Christen unterwegs, sagte er der „Kölnischen Rundschau“.

Pfarrer Ullmann wünscht sich mehr Priester-Solidarität

Pfarrer Ullmann selbst war als Privatmann in Köln dabei. Er respektiere das gegen ihn ausgesprochene Segnungsverbot, sagte er im WDR5-Radio: „Ich wünsche mir aber, dass Erzbischof Woelki eine größere Aufgeschlossenheit zeigt, so wie auch andere Bischöfe ihren Priestern zutrauen, vor Ort die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

Außerdem vermisse er die Solidarität seiner Kölner Priesterkollegen: Nur zwei hatten sich zur öffentlichen Paar-Segnung bereiterklärt, dagegen eine ganze Reihe von Pastoral- und Gemeindereferentinnen.

„Die Angst ist weg“

Ein kirchenpolitischer Appell schloss sich der liturgischen Feier an. Die Kölner „Maria 2.0“-Aktivistin und Theologin Maria Mesrian äußerte „tiefen Respekt“ vor den Kirchen-Angestellten, die Gesicht zeigten: „Die Angst ist weg – spätestens heute.“ 

In der Vorbereitung der in zwei Wochen startenden vatikanischen Weltsynode spiele die Öffnung gegenüber nicht heterosexuellen Paaren erstmals eine Rolle, sagte der unter anderem als scharfer Woelki-Kritiker bekannte Münchner Priester Wolfgang F. Rothe. „Nicht bitten, betteln und warten: Einfach machen!“ forderte Rothe und richtete einen Appell an die deutschen Synodenbischöfe, das Thema in Rom unbeirrt zur Sprache zu bringen.  

Selber streicheln? „Haste nichts davon“

Am Ende hatte der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer mit seinem Kommentar zur Liebe die Lacher auf seiner Seite. Keiner könne sich selbst kitzeln oder streicheln: „Kannste machen, haste nichts davon.“ Aber ebenso könne niemand sich selbst vergeben, erlösen oder segnen.

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