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Wer an das Zweite Vatikanische Konzil denkt, hat wahrscheinlich nur Männer vor Augen. Doch auch Frauen waren stark am Konzil interessiert und brachten sich ein – nicht nur hinter den Kulissen.
Marianne Dirks (1913-1993), Präsidentin der katholischen Frauen- und Müttergemeinschaften in Deutschland, besuchte dreimal als „kirchenpolitisch aktive Rom-Reisende“ (Regina Heyder) die Ewige Stadt. Ihre Erlebnisse spiegeln die sich wandelnde Einstellung des Konzils zu Frauen. In dem von Regina Heyder und Gisela Muschiol herausgegebenen Band „Katholikinnen und das Zweite Vatikanische Konzil“ werden die Hoffnungen, Erfahrungen von Frauen dokumentiert und auch Ergebnisse gezeigt.
Im November 1963 war es Marianne Dirks nicht erlaubt, in Begleitung ihres Ehemanns an einer Konzilsmesse teilzunehmen – weil Frauen grundsätzlich ausgeschlossen waren. Zwei Jahre später durfte sie als „Eingeladene“ (inviata) an den Generalkongregationen, am 28. Oktober 1965 an den Schlussabstimmungen dabei sein und die feierliche Verkündigung von fünf Konzilsdokumenten miterleben.
Konzil als Chance für Frauen in der Kirche
In der Verbandszeitschrift „Frau und Mutter“ berichtete Dirks über ihre Erlebnisse, die ihre Leserschaft sehr interessiert aufnahmen. Denn von dem Moment an, als Papst Johannes XXIII. verkündete, ein Konzil einberufen zu wollen, brachten sich Frauen in Stellung. Sie sahen endlich ihre Chance gekommen, wahr- und ernstgenommen statt als stumme Schäfchen von oben herab regiert zu werden.
Ob Frauenverbände, Theologinnen oder Ordensschwestern – sie alle verfassten zu den ihnen am dringlichsten erscheinenden Themen Berichte oder Eingaben an das Konzil. Meist nahmen die Frauen den Weg über die Bischöfe, um ihre Anliegen besser zu lancieren. Die Eingaben (Petitionen) landeten keineswegs in der Ablage P wie Papierkorb, sondern wurden durchaus gelesen und mit Anmerkungen versehen.
Ordensschwestern bringen sich intensiv ein
„Auffallend ist nicht zuletzt, wie wohlwollend die Texte der Frauen insgesamt aufgenommen wurden“, urteilt Heyder. Als die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Frauen Bayerns 1965 eine Denkschrift über Empfängnisverhütung und Eheverständnis an den Münchner Kardinal Julius Döpfner und später an weitere Konzilsväter schickte, wünschten diese in Antwortschreiben viel Erfolg – auch „weil die Anliegen von Frauen und Klerikern oft genug komplementär waren“, so Heyder.
„Das Konzil mit all seinen Ereignissen hat meine Seele in Brand gesteckt und sie zu einer neuen Gesamtsicht geführt“, schrieb Schwester Marianna Schrader, Benediktinerin in der Abtei Sankt Hildegard in Eibingen. Schrader hat sich trotz ihres hohen Alters – sie war Jahrgang 1882 - aktiv eingebracht, indem sie ihre Reformvorschläge verschiedenen Konzilsvätern vortrug und mit Wissenschaftlern im Austausch stand. Das Konzil löste in Klöstern eine „ungeheure Dynamik“ aus, heißt es in dem genannten Band.
Ordens-Gästehaus als Begegnungsstätte
Ein besonderer Ort war das Gästehaus der Grauen Schwestern in der Via dell'Omata 9 in Rom, wo die Schwestern Konzilsteilnehmer beherbergten. Es war ein Ort der „Begegnung und Kommunikation“, so Heyder. „Im Speisesaal wurden Konzilserfolge, Weihejubiläen, Geburtstage und Namenstage gefeiert.“
Das führte laut den Erkenntnissen der Wissenschaftlerin zu einem Wandel: Die Schwestern wurden deutlich sichtbarer in der Wahrnehmung der Konzilsteilnehmer, und die neue Kooperation zwischen Schwestern und Klerikern verringerte den zuvor großen hierarchischen Abstand zwischen beiden. Dazu trug auch die Mithilfe der dort wohnenden Bischöfe in der Spülküche bei.
Frauen übernehmen wichtige Rolle
Als das Konzil vorbei war, übernahmen die Frauen eine wichtige Rolle: „Sie alle verstanden sich nach dem Zweiten Vatikanum als Multiplikatorinnen bei der Umsetzung der Konzilsbeschlüsse in Verbänden, Ordensgemeinschaften oder Pfarreien“, schreiben die Wissenschaftlerinnen Heyder und Muschiol. Sie trugen das Konzil in die Kirche vor Ort – und wollten den Geist am Leben halten.