Ein Impuls zum Fest des Heiligen Geistes

Stürmisches Pfingsten – vom guten und bösen Durcheinander

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Wenn an Pfingsten mit großer Begeisterung davon gesungen wird, der Heilige Geist möge als Sturmesbraus ordentlich durch Zeit und Kirche wehen, macht das manchen Mut und anderen Angst. Woran erkennt man, ob bewegte Zeiten himmlisch oder teuflisch sind?

„Löse, was in sich erstarrt!“ Das dürfte wohl zurzeit die beliebteste der Bitten an den Heiligen Geist sein, wie sie die Pfingstsequenz singend in die Kirche ruft. Jedenfalls in der Übersetzung des 800 Jahre alten Textes im „Gotteslob“ (Nr. 344). Eine andere Version formuliert dieselbe Stelle hingegen gänzlich anders: „Lenke, was da irregeht.“

Damit wären auch schon zwei diametral sich gegenüberstehende Deutungen dessen benannt, was denn der Heilige Geist heutzutage schaffen soll: entweder Bewegung und ordentlich Wind in all das zu bringen, was eingefahren, festgefahren ist, was schon immer so war, was wir gewohnt sind – oder das gänzliche Gegenteil: für Ordnung und Verlässlichkeit sorgen.

Unkontrollierbarer Wind

Fakt ist: Wo der Wind durchgeht, da wirbelt er so einiges mächtig und machtvoll durcheinander. Das hat etwas Chaotisches an sich, etwas Unkontrollierbares.

Stürmische Zeiten sehnt man sich für gewöhnlich eher nicht herbei; nicht nur die angeblich so ordnungsliebenden Deutschen fühlen sich in ruhigem Fahrwasser wohler. Beständigkeit gibt Sicherheit, Verlässlichkeit stärkt Gelassenheit – und überhaupt dürften ein Puls und Atem im Gleichmaß schlichtweg gesünder sein als zu viel Druck im Kessel.

Wo alles bleibt, wie es ist, entwickelt sich nichts

Allerdings ist auch klar: Wo alles bleiben soll, wie es ist, kann sich nichts entwickeln – übrigens auch keine Tradition. „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“, sagte Hermann Hesse so wunderbar lyrisch-weise in seinem berühmten „Stufen-Gedicht“.

Das gilt für die Kirche, die doch ohnehin in Dauer-Sendung lebt – durch die Zeiten, zu immer neuen Menschen in immer neuen Zusammenhängen und Herausforderungen, in immer neuen Erkenntnissen und Gefahren gleichermaßen.

Das gilt auch für jeden Menschen

Das gilt für die Gesellschaft, die sich beispielsweise nicht nur seit langem einer völlig anderen, nämlich der digitalen Welt öffnen muss, um Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten; sie muss auf einmal auch ganz ungeahnte Wirbelstürme händeln: ein die Welt bedrohendes, winziges Virus, das alles andere als leicht zu beherrschen ist – und natürlich eine wohl naiverweise für unmöglich gehaltene globale Bedrohung durch Krieg und eine neue Spirale der Aufrüstung.

Das gilt schließlich für jeden Menschen, denn Wirbel machen das Leben aus. Es geht doch immer auf und ab, ist immer mal hell, mal dunkel, heute leicht und morgen schwer, hier eindeutig und da undurchsichtig, eben noch voller Leben und auf einmal voller Tod. Es ist immer ein Hin und Her.

Wogen und Wehen

Warum? Weil keiner für sich lebt. Überdies: Wer könnte von sich sagen, ganz im Lot zu sein? Wer ruht derart in sich, wohnt so ganz bei sich selbst, dass ihn oder sie nichts mehr aus der Fassung brächte, dann auch nichts mehr bewegte, nichts mehr antriebe?

Wo immer Leben ist, ist Durcheinander, unkontrollierbares Wogen und Wehen. Das ist das Risiko jedes Atemholens – und auch das Risiko bei jeder Anrufung des Heiligen Geistes, er möge kommen als Sturmesbraus.

Ordnung, die Leben schafft

Schon im Anfang schwebte er „über den Wassern“, dem Chaos des „Tohuwabohu“ und brachte „Ordnung“, wie es die sieben Tage der Schöpfung scheinbar korrekt aufzählen.

Doch diese Ordnung ist nur da verlässlich vom Heiligen Geist, wo sie Leben schafft – eine bewegt-bewegende Ordnung. Was hingegen nur durch­einan­derbringt, ist wörtlich vom „Diabolus“, dem Durcheinanderwirbler. Ist teuflisch. Nur destruktiv. Das versteinert. Das ist das Böse.

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