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Thomas Frings, der vor einem Jahr unter bundesweiter Beachtung sein Amt als Pfarrer in Heilig Kreuz Münster aufgab, meldet sich zurück. Er hat ein Buch geschrieben, in dem er seine Ideen entfaltet. Es heißt „Aus, Amen, Ende?“ Immerhin noch mit Fragezeichen.
Auch als Mönch in Ausbildung bekommt Thomas Frings den Pfarrer nicht aus den Klamotten. Vor einem Jahr hatte er die Segel gestrichen und lebt jetzt als Postulant in der Abtei St. Willibrord in Slangenburg, kurz hinter der deutsch-niederländischen Grenze.
Sein Rücktritt als Pfarrer, Moderator des Priesterrats und Leiter der Kunstkommission des Bistums Münster hatte bundesweit Wellen geschlagen. Mit seiner Erklärung, die er „Kurskorrektur“ nannte, traf er offenbar ins Seelenleben vieler Geistlicher und engagierter Gemeindemitglieder.
Buchtipp
Thomas Frings: „Aus, Amen, Ende? – So kann ich nicht mehr Pfarrer sein“
176 Seiten, gebunden, 16,99 €
Verlag Herder, ISBN 978-3-451-37797-6
Strukturreformen, Pastoralpläne, Zukunftsbilder – die Kirche debattiere sich um Kopf und Kragen, ohne dass sich Wesentliches ändere, hatte Frings damals beklagt. Die Kirchen werden leerer, die Priester weniger, die Ansprüche etwa von Erstkommunioneltern und Brautleuten an das Service-Unternehmen Kirchen immer abstruser, Wissen und Wertschätzung in religiösen Dingen immer geringer. Was noch wachse, seien die Gemeinden – aber nur, weil sie zu Großpfarreien fusioniert wurden. Mutige Aufbrüche, starke Perspektiven sah Thomas Frings nicht – und wollte so nicht weitermachen. Aber Priester wollte er bleiben.
Ein Priester, der an seiner Kirche hängt
Wer damals glaubte, für Frings wäre nun alles aus und vorbei, der kannte ihn nicht. Sein Buch, das am 20. Februar in die Buchhandlungen kommt, zeigt es deutlich. Zwar beginnt dessen Titel mit den Worten „Aus, Amen“, doch dann folgt: „Ende?“ – mit Fragezeichen. Und es trägt den Untertitel: „So kann ich nicht mehr Pfarrer sein“ – was bedeuten könnte, dass er es unter anderen Umständen womöglich doch noch ganz gern wäre. Kloster hin, Mönch her.
Denn das ganze Buch zeigt von der ersten bis zur letzten Seite einen hoch engagierten Gemeindepriester, der an seiner Kirche hängt. Von der er überzeugt ist, dass sie ein genialer Ort für die Sehnsüchte der Menschen sein könnte – nicht nur der getauften. Aber nicht als Ausverkauf dessen, was ihr Kern ist: die Liturgie, die Sakramente. „Ich bin einfach kein Meister im Weitwurf“, schreibt Frings launig, „weshalb ich den Glauben anbiete, aber nicht hinterherwerfe.“
Treffsichere Belege aus dem Pfarreralltag
Schon im Vorwort warnt er vor seinem rheinischen Temperament, das für westfälische Ohren zu hart klingen möge. Tatsächlich aber bewahren eine ganze Reihe herrlicher Anekdoten aus einem 30-jährigen Priesterleben sein Buch davor, eine verbitterte Generalabrechnung zu werden. Frings spitzt genüsslich zu, liefert treffsichere Belege aus dem realen Pfarreralltag und tröstet mitunter mit Erfahrungen selbst seines höchsten Dienstherrn: Jesus habe schließlich auch nicht ständig „volles Haus“ gehabt.
Im Großen und Ganzen basiert „Aus, Amen, Ende?“ auf der besagten „Kurskorrektur“, Frings' Stellungnahme zu seinem Rücktritt. Er entlarvt Kirchenbilder und Gemeindevorstellungen, die vielleicht vor 30 Jahren noch funktionierten, aber bis heute dick mit dem Prinzip Hoffnung unterfüttert würden. Frings bemängelt das: „Die göttliche Tugend der Hoffnung wird in einem Maße strapaziert, dass wir auf der Schwelle des Paradieses lebten, wenn wir die Tugend der Liebe in gleichem Maße praktizierten.“
Füt ein „Ende des Schönrechnens“
Er plädiert für ein Ende des Schönrechnens und blumiger Kirchenbilderfloskeln, wie sie etwa in Pastoralplänen zu finden seien und rät: „den pastoralen Aktionismus aufgeben, um sich selbst und das, was einem buchstäblich heilig ist, nicht aufzugeben“. Das liest sich wie der Leitsatz für Frings' eigenen Umbruch, aber man ahnt, dass mehr dahintersteckt.
Wenn er davon erzählt, dass immer weniger Eltern halten, was sie bei der Taufe ihres Kindes versprechen, nämlich es im Glauben zu erziehen – dann heißt das für ihn: „Schluss mit dem Sakramentenautomatismus.“ Stattdessen: „Nach außen Zuspruch, bis es weh tut, nach innen wachsenden Anspruch.“
Frings plädiert für eine „gestufte Nähe“ zur Kirche, anstatt Suchende nach dem Motto „ganz oder gar nicht“ zu überfordern. Am Ende des Buchs steht der „zaghafte Versuch einer etwas anderen Form“, die Frings „Entscheidungs-Gemeinde“ nennt. Sie definiert sich nicht über den Wohnort, sondern „nach dem Prinzip der Sehnsucht“: „Es zählt allein der Wunsch, Teil dieser Gemeinde zu sein. ... Der Empfang der Sakramente ergibt sich erst aus der Zusage, wie sehr ich mich in eine gelebte Form der Sakramente begebe.“
Entscheidung ist nötig
Manche in dieser Gemeinde treffen sich zum Essen in einer Kneipe und sprechen dabei auch über Gott und die Welt, andere feiern selbstständig Gottesdienst in der „eigenen“ Kirche, weiteren ist die Sonntagsmesse wichtiger. Die Leitung hätte ein Team inne – von „einem Geweihten“ sei das nicht abhängig.
Für Frings wäre eine solche Entscheidungsgemeinde „keine Verlegenheitslösung für pastorale Mangelerscheinungen“. Sie wurzele vielmehr in der Erkenntnis, „dass zu einem robusten Glauben die Entscheidung gehört“. Und für die Kirche heiße das: „Nicht Schafen hinterherlaufen, die sich gar nicht verloren fühlen. Sondern selbst Anlaufpunkt sein für Menschen, die kommen wollen.“
Thomas Frings ist nicht fertig. Nicht mit der Kirche, nicht als Priester, nicht mit sich. „Ich sage Aus und Amen“, schreibt er schon im Vorwort, „aber eben nicht Ende. Denn ich liebe diese Kirche.“ Wie seine persönliche „Entscheidungs-Gemeinde“ aussehen wird, ob sie in einem Kloster oder einem Bistum sein wird, das schreibt er nicht. Sehnsucht ist kein schneller Ratgeber.
Launige Buchzitate
In einer Gemeinde wurden 2500 Unterschriften für den Erhalt der Kirche gesammelt. … Man stelle sich vor, jeder Unterzeichner würde auch nur einmal im Monat zu irgendeiner Veranstaltung der Gemeinde oder sogar in die Kirche kommen. Es wäre wahrscheinlich die Kirche in der Diözese, die vor dem Dom als letzte aufgegeben würde.
Auf den Vorschlag einer Dame, ich soll doch die Jugendlichen mit der Gitarre ans Lagerfeuer einladen, das hätten sie damals auch so gemacht, sagte ich ihr, dass zu dieser Zeit die Großmütter zur Rosenkranzandacht in die Kirche kamen. Wenn sie das eine täte, würde ich das andere tun.
Sehr kreativ auch der Hinweis, die Priesterzahlen seien im Verhältnis zu den Gottesdienstbesucherzahlen sogar gestiegen. Dieses Argument weitergedacht hieße ja, wenn alle Menschen zu Hause blieben, wäre das Problem des Priestermangels gelöst. Das stimmt sogar.
Wir sollten den Menschen Hilfestellung geben und sie nicht als sakramentale Nichtschwimmer vom Zehnmeterturm springen lassen und uns dann wundern, dass die meisten am Ende ertrunken sind.
Ein Mann brachte einen Hund mit in die Kirche und verteidigte das mit den Worten: „Der Hund hat noch nie etwas Böses gedacht! Das können Sie von sich nicht behaupten!“ Frings antwortete: „Da haben Sie recht. Deswegen ist diese Kirche auch für sündige Menschen und nicht für heilige Hunde gebaut worden.“
Man muss man ja nicht gleich so weit gehen wie die Apostelgeschichte, die berichtet, dass der Geist Gottes auf die Heiden herabkam und sie erst anschließend getauft wurden, also Firmung vor Taufe. Erstaunlich, wie wenig sich der Heilige Geist an die Vorgaben der Kirche gehalten hat.