Im Keller der Fachstelle Weltkirche schlummern Berichte über spannende Lebenswege

Von Apartheid oder dem Bischofsnest Heek-Nienborg - Missionare berichten

  • Im Keller der Fachstelle Weltkirche lagern hunderte Akten von Missionaren und Missionsschwestern aus dem Bistum Münster.
  • In einem Projekt sollen sowohl die grundlegenden Daten erfasst, als auch ihre Korrespondenz erforscht werden.
  • Uli Jost-Blome, ehemaliger Leiter der Fachstelle, bearbeitet derzeit 2300 Datensätze.

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Es liegt ein Schatz im Keller der Fachstelle Weltkirche. Das wissen die Mitarbeiter im Gebäude des Bischöflichen Generalvikariats in Münster schon lange. „Er muss nur noch gehoben werden“, sagt Uli Jost-Blome, der die Fachstelle 15 Jahre geleitet hat. Jetzt, im Ruhestand, kann er sich den Kostbarkeiten endlich intensiver widmen.

Kein Gold und keine Edelsteine sind es, die hier unten lagern, sondern Akten. Hunderte, manche dick und gut gefüllt, manche dünn mit nur wenigen Blättern. Aber alle sind wertvoll, sagt Jost-Blome: „Es sind wunderbare Geschichten von Glauben, Abenteuern, Zweifel und Hoffnung.“ In den dicken Sicherheitsschränken des Archivs lagern die Unterlagen der Missionare und Missionsschwestern aus dem Bistum Münster.

Lebensgeschichten zwischen Aktendeckeln

Obenauf liegt immer ein einfaches Blatt, sachlich und informativ: Name, Orden, Einsatzort. Dahinter abgeheftet aber sind oft Lebensgeschichten. Briefe, Fotos, Berichte, manchmal Zeitungsartikel. Dankesschreiben für die Weihnachtsgeschenke des Bischofs sind oft zu finden, aber auch Briefe an die Familie oder Schreiben an die Fachstelle im Generalvikariat. „Mit einer ganzen Bandbreite an Themen“, sagt Jost-Blome. „Politische Auseinandersetzungen mit der Apartheid oder der Befreiungstheologie sind genauso dabei wie Gedanken zur persönlichen Situation in der Mission.“

Im Grunde sind die Blätter im Archiv eine Art Fortsetzung der vielen Gespräche, die in der Fachstelle Weltkirche über Jahrzehnte geführt wurden. „Die Missionare und Missionarinnen kamen häufig hierher, wenn sie auf Heimaturlaub waren.“ Oft standen sie ohne Anmeldung vor der Tür, um bei einem Kaffee zu reden. „Nicht selten mit der Hoffnung, auch einen Bischof oder Weihbischof zu treffen.“ Die Kommunikation war bei der Abreise nicht beendet. Man hielt Kontakt, nicht nur zur Familie oder zum Orden, sondern auch zu den Mitarbeitern der Fachstelle.

Immer weniger Zeitzeugen

Luftpost aus Indonesien: Viele Dankesschreiben, aber auch persönliche Berichte haben die Missionare und Missionsschwestern aus aller Welt geschickt. | Foto: Michael Bönte
Luftpost aus Indonesien: Viele Dankesschreiben, aber auch persönliche Berichte haben die Missionare und Missionsschwestern aus aller Welt geschickt. | Foto: Michael Bönte

Jost-Blome hat noch selbst vieler dieser Gespräche erlebt. Auch wenn die Besuche in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich weniger wurden. „Als ich hier 2005 begann, gab es noch etwa 1000 lebende Missionare und Missionsschwestern, aktiv oder im Ruhestand.“ Heute sind es nur noch 300, die von ihrem Wirken in fremden Ländern berichten können. Jost-Blome aber wollte den wertvollen Schatz der tausenden Erinnerungen nicht versickern lassen. „Ich wollte sie sichern und damit auch die Arbeit dieser Menschen würdigen.“

Also stieß er das Projekt „Missionsgeschichte des Bistums Münster“ an. Am Anfang stand die Anfrage an die Ordensgemeinschaften. „Ich musste meinen Forschungszeitraum schnell begrenzen, weil deren Akten bis in frühere Jahrhunderte zurückreichen.“ Sein Erhebungszeitraum beginnt am 1.1.1900. Was genug Arbeit ist. Mithilfe von studentischen Hilfskräften wuchs die Projektdatei im Computer schnell auf 2300 Datensätze. „Was auch daran lag, dass ich von den Ordensgemeinschaften immer wieder neue Namen genannt bekam.“

Ganze Orte im „Missions-Fieber“

Bislang sind es die grundlegenden biografischen Daten, die in die riesige Tabelle eingetragen wurden: „Name, Geburtsort, Profess, Einsatzort…“ Aber schon die erzählen für Jost-Blome spannenden Hintergründe. Etwa über die Motivation der meist jungen Menschen, in die Mission zu gehen. „Da gibt es oft familiäre und geografische Auffälligkeiten.“ Wenn ein Nachname in zeitlicher Nähe immer wieder auftaucht, wird deutlich, wie die Berichte der Tante aus der Mission auf ihre Nichten gewirkt haben müssen. Oder wie der missionarische Dienst in der Fremde ganze Orte begeisterte. „Aus dem kleinen Heek-Nienborg kamen gleich drei Missionsbischöfe und unzählige Missionsschwestern.“

Längst ist noch nicht alles erfasst. Jost-Blome will am Ball bleiben. Und er will noch weiter in die Tiefe. Mit dem Seminar für historische Theologie und ihre Didaktik hat er Kontakt aufgenommen. Einige Studenten interviewen noch lebende Ordensschwestern über ihre Zeit in der Mission. Und für den Schatz im Keller hofft er noch auf die Unterstützung eines echten Goldgräbers: „Vielleicht wird er ja mal Gegenstand einer Doktorarbeit.“

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